Erste Worte

Das Plakat hing am Flughafen. Das Bild ist aber aus dem Internet. Leider ist der kyrillische Schriftzug nicht zusehen. Dennoch: Ein Schelm der Böses dabei denkt.

Das Plakat hing am Flughafen. Das Bild ist aber aus dem Internet. Leider ist der kyrillische Schriftzug nicht zusehen. Dennoch: Ein Schelm der Böses dabei denkt.

Nach einer ereignislosen und daher wohl als gut zu bewertenden Anreise bin ich vorgestern wohlbehalten in Belgrad angekommen. Mein Freund und Kum Djordje hat mich gleich am Nikola Tesla-Flughafen aufgelesen und zu sich nach Hause gebracht. Schön war es, auch seine Frau Danijela wiederzusehen, von welcher ich schon bei meinem letzten Aufenthalt in Belgrad im September erfahren hatte, dass die beiden Eltern werden. Und da war sie nun, der Stolz der jungen Familie, die kleine Dora. Man sagt ja, dass Neugeborene ihre Eltern besonders auf Trab halten und auch in diesem Falle ist Dora keine Ausnahme. Wobei ich ja gestehen muss, dass ich als Nicht- oder Noch-Nicht-Vater mir das Kindergeschrei schlimmer vorgestellt habe. Es erinnert mich mehr an einen Wehgesang, wenn sie Hunger hat, schlafen möchte oder ihr sonst grad irgendetwas nicht passt. Und trotz der Liebe und absoluten Fürsorglichkeit der frisch gebackenen Eltern passt ihr anscheinend zur Zeit wohl eine Menge nicht.

Nach dem obligaten Kaffee und Kuchen verbrachte ich anschließend den Rest des Tages mit meinem Kumpan und seiner Frau beim Austausch von Neuigkeiten. Natürlich ging es vor allem ums Private. Aber natürlich kamen auch unweigerlich die Themen Wirtschaft, Krise und Politik in unterschiedlicher Kombination immer wieder zur Sprache. Das ist wohl weniger mir geschuldet, als dass es auch einfach die wichtigsten Themen sind, die natürlich zwangsläufig immer wieder und gerade hier in Serbien einen Einfluss auf die private Lebenswelt haben. Ich bezweifle aber sehr, dass dies bei näherer Betrachtung in irgendeiner Art und Weise anders ist als bei uns, wenn man von der Qualität und Intensität der Bedeutung dieser Themen in Serbien einmal absieht. Das kann man wohl als den Determinismus der privaten Lebenswelt bezeichnen, egal wo man sich auf unserem Erdenball gerade rumtreibt. Bei dem Wort „Krise“ in Bezug auf das, was gerade in der Eurozone passiert, reagieren die Leute hier, wie jeder, der schon einmal in der Region war, mit einem Achselzucken. „Krise? Wir haben seit 30 Jahren nur Krise.“ Nun ja, wenn ich es überlege, wir haben sie nun seit immerhin bald 5 Jahren. Da wird die Krise zum Zustand.

Ab und an mussten nur entweder Danijela oder Djordje kurz aufstehen, wenn Dora wieder unruhig wurde und etwas Zuneigung und Aufmerksamkeit brauchte.

Dennoch schlief ich in der einen Nacht, die ich in Belgrad verbracht habe, ganz ausgezeichnet. Vielleicht lag es daran, dass ich nach meiner Anreise einfach nur müde und erschöpft war, vielleicht lag es an der Hausmarke des selbstgebrannten Rakijas, die mich tief ins Land der balkanischen Träume sinken ließ oder vielleicht, und das ist wohl das Wahrscheinlichste, stimmte die kleine Dora kein Wehklagen oder Leidgesänge in der Nacht an.

Da fällt mir ein, dass ich an dieser Stelle kurz erwähnen möchte, dass auch ohne Gendermainstreaming und den dazugehörigen „Trouble“ beide ein tolles Paar abgeben, nicht nur als Liebespaar, sondern auch als Eltern. Und wie sie sich gegenseitig unterstützen, lässt mich auch ganz warm ums Herz werden.

Wir Ihr seht, stimmt das Datum meines Eintrages nicht ganz mit dem Inhalt überein. Das ist aber eine stilistische Frage, die mir vielleicht erfahrenere Blogger beantworten können. Da ich erst einmal eine feste Bleibe finden und natürlich auch etwas erleben mußte, kann ich natürlich erst zeitverzögert etwas schreiben.

Bei Anmerkungen und Verbesserungsvorschlägen, fragen Sie einfach Ihren Arzt oder Apotheker.

http://www.youtube.com/watch?v=96q5IxqNSqc&feature=player_embedded

 

Der nächste Eintrag wird jedenfalls eine Zusammenfassung meiner Ankunft und meines ersten Tages in Kragujevac enthalten. Ich möchte auf jeden Fall schon einmal sagen, dass ich bisher hier ganz hervorragend angekommen bin.

Ein nicht ganz so kleiner Zwischenbericht.

Am Freitag war ich mit einer Freundin von Marion Kaffee trinken, was überaus spektakulär war. Dies möchte ich erwähnen, nicht nur weil ihr Gatte eine exponierte Stellung in der hiesigen Politik einnimmt oder ihr Wesen ein überaus freundliches ist, sondern weiterhin weil sie in Journalistik promoviert. Außerdem haben wir über das hiesige Machotum, die Kleinstadt Jena und ein paar andere Dinge gelacht.

Danach war ich im Human Rights Center der Universität. Ich hab ein paar Bücher ausgeliehen und sie flugs in den Copyshop getragen. Dort wiederum traf ich einen Bekannten von der Sommeruni letztes Jahr. Leider spricht er kaum Englisch, zerrte mich dann aber in ein Eiscafe, wo ich bei seinen Freundinnen als „der Deutsche von letztem Jahr“ präsentiert wurde. Anschließend bin ich dann zur Veteranenorganisation der UCK marschiert, da die mich natürlich nicht zurück gerufen haben. Allerdings hab ich im Treppenhaus zwei recht kräftige Gestalten angesprochen, welche sich als Veteranen entpuppten. Einer ist sogar Mitglied der berühmten Gründer-Familie der UCK, der Jasharis, und Bruder des Präsidenten besagter Veteranen. Also kurz vorgestellt und dann ab ins Cafe. Am Dienstag gibt’s das große Interview mit Diktiergerät, am Freitag war es erst mal ein kurzes Kennenlernen. Einen Stein bei ihnen hatte ich dann auch im Brett, nicht nur wegen einer früheren Bekanntschaft, welche ein paar Monate mit der UCK in den Bergen gelebt hat, sondern auch weil ich mich gegenüber Herrn Jashari als trinkfreudig erwies. Rakija/ Raki kann da manchmal wahre Wunder wirken, wenn das Gespräch zu erlahmen droht. Vollends ins Herz schloss er mich dann, als ich noch „Oj Kosovë bukuroshe, rreth em rreth e qosh em qoshe!“ (Übersetzung siehe unten) sagen konnte.

Inhaltlich ging es vor allem schon mal um Organisation und Aufbau der UCK sowie die Ausgangsbedingungen vor den Kampfhandlungen. Auch haben sie mir von einigen serbischen Kriegsverbrechen erzählt, deren Zeuge sie oder Bekannte von ihnen wurden und welche mir durchaus unter die Haut gingen. Vor allem weil sie beide auch betonten, dass hier im Kosovo mit den traditionellen Rollen- und Geschlechterbildern und dem Begriff der Familienehre, der Angriff auf Frauen des Feindes als besonders scheußlich angesehen wird. Interessant und geradezu positiv überrascht war ich dann auch von der Antwort auf meine Frage, wie denn die UCK mit serbischen Zivilisten umgegangen ist. Im Grunde glaubte ich, dass sie mir sagen würden, dass es so etwas natürlich niemals gegeben hat. Zu meiner Überraschung sprachen sie aber zumindest schon mal von „Einzelfällen“ bzw. einzelnen Tätern.

Zum Abschied wurden dann noch eifrigst Hände geschüttelt und mir dann versprochen, dass ich am Dienstag zwei Interviews – eins mit seinem Bruder, dem Präsidenten der Veteranenorganisation und eins mit ihm selber – führen darf. Außerdem wurde mir ein ausgiebiges Frühstück bei den Veteranen zugesagt. Ich warte da aber lieber mal ab, ob es wirklich Frühstück gibt. So nah beim Orient redet man ja bekanntlich gern und viel und dann gibt’s doch nur ein olles Müsli.

Mit schmerzender Hand aufgrund des recht festen Händedrucks zog ich dann meiner Wege, sowohl mit einem Lächeln als auch einem Grübeln im Gesicht stehend. Selbstredend hab ich mir nicht anmerken lassen, dass der Händedruck erahnen ließ, dass man beiden Herren besser keine üblen Streiche spielen sollte. Aber das hab ich ja eh nicht vor, und daher harre ich jetzt erst mal des Dienstags.

Morgen hab ich vielleicht noch ein Kaffeedate mit Azem Vllasi. Der hatte mir ja bereits letztes Jahr ziemlich imponiert und deshalb hab ich ihn heut angerufen und gefragt, ob wir uns nicht mit Aziz Salihu treffen sollen. Ich bin gespannt, ob`s klappt. Leider konnte/ wollte er mir noch nicht fest für morgen zusagen. Meine lieben Freunde hier finden es sowieso etwas seltsam, dass ich mit dem früheren Präsidenten der Sozialistischen Autonomen Provinz Kosovo rumhängen möchte. Aber er hat es mir irgendwie angetan. Und außerdem würde ich gerne ein paar Anekdoten aus den wohligen Zeiten des Genossen Tito lauschen…

Ansonsten gibt’s noch ein paar kleine Neuigkeiten: Shkelzen Maliqi ist übers Wochenende zur Wahlberichterstattung in Albanien. Ich hoffe ja sehr, dass ich ihn noch erreichen kann. Das Karaoke-Programm, welche für heute Abend geplant war, ist leider aufgrund starker Ermüdungserscheinungen von Dia ausgefallen und ansonsten überlege ich ja noch, wen ich diese Woche noch interviewen soll. Eigentlich wäre mir ja sehr daran gelegen, meine lieben Freundinnen Dia und Qendresa zu interviewen, weil sie die politische Sachlage sehr gut kennen, über die Zeit des Krieges viele Informationen haben und außerdem aus politisch aktiven Elternhäusern kommen. Der Gedanke kam mir im Übrigen, da es den Anschein hatte, dass man mir wohl bei den Veteranen auch ganz gern einige Informationen verheimlicht. Zumindest erfolgte bei der Wiedergabe einiger Themen meines Gesprächs recht lauter Protest von Seiten meiner Freunde. Es bleibt also spannend, wie es wird. Ich bin auch immer wieder fasziniert davon, dass das Thema „UCK“ ein durchaus unaufgearbeitetes in der hiesigen Gesellschaft ist. Viele Leute aus meinem Umfeld haben zwar durchaus großen Respekt vor ihnen, mögen sie aber deshalb nicht unbedingt.

Gestern Abend hatte ich übrigens noch sehr netten Besuch von Visar. Weil der heute morgen nach Gnjilane/ Gjilan fahren musste, hat er bei mir in meiner überaus geräumigen Wohnung genächtigt. Es gab Shisha und ein überaus interessantes Gespräch über den Islam. Ich muß ja gestehen, dass ich da auch etwas unbedarft bin, wenn es nicht um die gängigen Themen wie fünfmal am Tag beten, den Aufstieg Mohammeds gen Himmel und so weiter geht. Vor allem hab ich ein paar kleine Geschichten aus dem Alltag mit der Religion erfahren, welche zwar so kaum eine Rolle hier spielen, da man (und frau auch) hier kein besonderes Faible für jenseitige Themen hat, welche aber dennoch ein kleines Stück Alltagskultur bei manchen Leuten zuhause bilden. Z.B. muß man (und frau erst recht), wenn man etwas verloren hat, mit Hilfe eines kleinen Gebets den Teufel in einer Flasche einfangen, um somit die finsteren Mächte zu zwingen, einem bei der Suche zu helfen. Da man dem Teufel allerdings geschworen hat, ihn bei erfolgreicher Suche wieder frei zulassen, öffnet man hinterher besagte Zauberflasche und deshalb ist das Böse nach wie vor noch in der Welt.

Ich sehe gerade, dass es 1:20 Uhr ist und ich immer noch und mal wieder im Grand Hotel herumsitze. Das war nun also mein nicht ganz so kleiner Zwischenbericht.

Natën e mirë/ Laku noć!

PS: Noch ein kleines Lied, das mich heute sehr berührt hat.

Welcome back!

So schnell hätte ich nicht gedacht, dass ich wieder was auf dem Blog hier veröffentliche. Aber das Leben schlägt ja manchmal Purzelbäume. Ich bin letzten Freitag nach ein paar schönen Tagen bei Marion in Wien in Belgrad angekommen. Djordje hat mich am Flughafen mit seinem neuen Auto abgeholt, mich bei seiner Familie abgesetzt und dann wurde ich erst mal mit Essen vollgestopft. Seine Familie hatte auch einen offiziellen Anlass für die Kocherei, da es der erste Todestag von seinem Großvater war. Interessant fand ich vor allem, dass man sich eigentlich dann auf dem Friedhof trifft, um auf dem Grab(!) zu speisen. Samstag hab ich dann ein paar organisatorische Sachen erledigt und Sonntag gings dann mit dem Bus weiter in den Kosovo. Ich hab zum ersten Mal den Mittagsbus genommen, so dass ich schon gegen 18 Uhr am Busbahnhof von Prishtina angekommen bin. Dann ab mit dem Taxi zum berühmten Grand Hotel und – da hab ich festgestellt, dass ich meinen Rucksack (Inhalt: Wörterbücher und ein paar kleine Präsente) im Bus vergessen hab. Was tun? Ich bin schließlich mit einem sehr freundlichen Taxifahrer zum Busbahnhof zurück, wo er gefühlte tausend Leute nach der Telefonnummer des Busbahnhofs gefragt und ungefähr tausend Leute angerufen hat. Da wir keinen erreichen konnten, sind wir weiter nach Gracanica gefahren, zur nächsten Haltestelle. Natürlich war der Bus auch schon dort weiter nach Prizren gefahren. Allerdings konnte uns eine Serbin von der Busgesellschaft eine andere Handynummer geben, so dass ich vor der Wahl stand, meinen Rucksack entweder noch am selben Tag in Prizren aufzusammeln oder am nächsten Tag in Prishtina auf der Rückfahrt des Busses in Empfang zu nehmen. Spontan wie ich bin, sagte ich, dass es mir doch lieber wäre mein bescheidenes Eigentum doch noch lieber heute entgegen zu nehmen. Also fuhren wir so schnell uns der Mercedes trug durch die einberechende Nacht nach Prizren. Der Taxifahrer sprach recht gut Deutsch, da er über eine längere Arbeitserfahrung in einschlägigen Etablissements in Berlin verfügte. Hochinteressant, da ich selbst noch niemals näher mit Leuten aus dem Milieu zu tun hatte. Dies konnte er mir auch ansehen, wie er bemerkte. Also mit anderen Worten sieht man mir an, dass ich zart besaitet bin. Als wir dann gegen 21 Uhr in Prizren ankamen, lief ich in das Büro von Adiotours, wo eine ältere Dame in strenger Garderobe mich bereits erwartete, um mir den Rucksack zu geben. Ich bedankte mich höflichst und konnte anschließend dem Vorschlag des Taxifahrers etwas zum Abendessen zu uns zu nehmen, nicht widerstehen. Als ich allerdings anmerkte, dass wir ja irgendwo einen Burek essen gehen können, lachte er laut und meinte, „Wir sind Männer! Wir brauchen Fleisch!“ Also Fleisch…

Dann lud er mich noch an einer Tankstelle auf einen Kaffee ein, den wir dann im Auto tranken und Zigaretten schmauchten. Ich muß mich bei der Umweltbewegung im In- und Ausland entschuldigen, aber seinem Vorschlag anschließend einfach bei voller Fahrt meinen Pappbecher aus dem Fenster zuwerfen, konnte ich nicht widerstehen. Dann lieferte er mich wieder in Prishtina bei unserem Ausgangspunkt ab, von wo aus ich weiter zu meiner Freundin Qendresa und ihrem Freund James fuhr. In ihrer Wohnung hab ich dann bis vorgestern Abend gewohnt.

Inzwischen sitze ich in einer Wohnung meines Freundes Visar, welche mal wieder eindeutig mit ihren drei Zimmern und zwei Toiletten zu groß für mich alleine ist. Leider gibt’s aber kein Internet noch Tv, aber einem so preiswerten Gaul schon man eh nicht ins Maul.

Deshalb häng ich jeden Tag im Grand Hotel oder sonst wo rum, um meine Emails zu lesen. Manchmal hab ich ja den Eindruck, dass es hier bald mehr WLAN-Hotspots als Jobs gibt. Wie sich der geneigte und Balkanerfahrene Leser sicher denken kann, ist die soziale Situation nach wie vor äußerst prekär. Dies bezieht sich aber nicht nur auf den Kosovo, obwohl hier die Lebensverhältnisse am bescheidensten sind, sondern auch auf Belgrad. Es ist auch in Serbien nichts besonderes ohne jegliche Sozial- oder Rentenversicherung irgendwo zu arbeiten, obwohl die hiesigen Arbeitnehmerrechte auch gesetzlich verankert sind. Laut Aussage meines Freundes ist das sogar gängige Praxis bei ausländischen Botschaften.

Vorgestern hatte ich übrigens mein erstes Interview mit Herrn Dr. Bujar Bukoshi, seines Zeichens früherer Ministerpräsident der kosovarischen Exilregierung und jetziger Vize-Premier Kosovos. Er hat meine Fragen unglaublich ausführlich beantwortet und mir insbesondere in Bezug auf die 1990er Jahre viele Anregungen gegeben. Manche Überlegungen, wie und woher der kosovo-albanische Widerstand kam und wie dies noch heute die politische Szenerie prägt, haben sich bestätigt. Und natürlich hat er sich sehr gefreut, als ich ihm noch Grüße von meinem Zweitgutachter, Herrn Prof. Dr. Kramer, übermittelt habe.

Gestern hab ich noch eine Hausarbeit korrigiert und war anschließend bei der Organisation der Kriegsveteranen der UÇK. Leider war niemand zuhause, aber dafür geh ich gleich noch mal hin. Außerdem hat mir meine Bekannte Dia einige inhaltliche Anregungen gegeben, das würde aber jetzt hier zu weit führen. Ich war gestern mit ihr und ihrer Freundin Nora essen und anschließend im „Tingel-Tangel“, einen kleinen Kneipe im Stadtzentrum. Da hängen überhaupt alle alternativen Geister der Stadt rum und so verschlägts auch mich öfters dahin, um Leute zu treffen. Nora ist im übrigen in einer NGO für Kunst und Kultur tätig. Ich habe also schon Kontakt geknüpft für ein kleines Nebenprojekt (an dieser Stelle Grüße an Jana und Milica! J).

Noch eine kurze Ergänzung: Ich sitz grad im Grand Hotel. Hier haben sie einen freien Internetzugang und es ist etwas ruhiger als n den ganzen Straßenkneipen. Die Kriegsveteranen müssen erst mit ihrem Präsidenten abklären, ob ich ein Interview bekomme – ein Schelm, wer böses oder Ironisches darüber denkt.

Ein Ausflug ins schöne Mitrovica

Liebe Freundinnen und Freunde,

nach längerer Abstinenz melde ich mich wieder zurück. Viele Worte will ich ja gar nicht darüber verschwenden, warum ich seit einiger Zeit keine Einträge mehr hier verfasst habe. Aber in bisschen was erzählen, will ich ja schon. Die Gründe sind vor allem in meinem Arbeitspensum zu suchen. Dieses hatte sich in den letzten Wochen doch ganz enorm erhöht. Ich wünschte nur, dass es auch gleichzeitig so produktiv wie zeitaufwendig gewesen wäre.

Nehmen wir doch beispielsweise den vergangenen Dienstag. Geplant waren zwei Interviews mit den Vertretern (und Namen tun natürlich in einem Blog nix zur Sache) der Verwaltungen in Nord- und Süd-Mitrovica um 13 bzw. 14.30 Uhr, was natürlich schon knapp veranschlagt war, aber leider aufgrund ihrer Termine nicht anders ging. Also bin ich morgens gegen 10 Uhr von Prishtina losgefahren, um pünktlich wie die Schweizer in der serbischen Verwaltung auf der nördlichen Seite der berühmten Brücke vorstellig zu werden. Dann hieß es natürlich erst mal bei der Sekretärin warten. Ein kurzer Schwatz, ein Lob bezüglich meiner Serbisch-Kenntnisse – da werd ich ja immer ganz verlegen, ich kann doch nix -, ein- zwei Worte des Bedauerns meinerseits, weil ihr Fax-Gerät aufgrund eines Stromausfalls gerade ausgefallen war, und schon stand ich bei meinem Interviewpartner im Büro. Gut und schön. Dieser begrüßte mich auch schon mit den Worten, dass er jetzt fünf(!) Minuten Zeit für mich hätte. Fünf Minuten für 16 Fragen?! Nicht machbar. Selbstredend war es nicht so, dass ich ihm nicht schon bei meinem letzten Besuch in Mitrovica erklärt hatte, dass ich eine Stunde bräuchte. Da ich wohl überaus enttäuscht drein guckte, führte er mich vor einen Stapel aus drei oder vier Aktenordnern und erklärte aus dem Brustton der verzweifelten Überzeugung, dass er diese heute noch unbedingt durcharbeiten müsste. Letztendlich wurde der Termin jetzt auf Freitag, 14 Uhr, verschoben. Man sei gespannt…

Dann bin ich zu seinem Vorgesetzten gegangen, um zu fragen, ob der nicht zufällig Lust und Zeit hätte. Und anderthalb Stunden auf der Straße warten, bis ich im Süden vorstellig werden konnte, wollte auch nicht. Also wurde ich von der Belegschaft auf einen Smalltalk mit Rakija, Turska Kafa und Kippchen eingeladen. Die Belegschaft – und ich bin mir gar nicht sicher, wer da überhaupt beschäftigt war oder nur so zum Zeitvertreib rumhing – bestand aus einem relativ jungen Advokaten (meiner Meinung nach, der einzig nüchterne und wirklich arbeitende Mensch in dem Raum) und zwei, später drei älteren Herren, die ordentlich pafften und mir eine fast leere Flasche Rakija präsentierten. Man füllte tüchtig die Gläser und entschuldigte sich bei mir, dass die Geheimbar des Büros fast trocken wäre: Ich möge doch bitte am Wochenende wiederkommen. Dann gäbe es von allem wieder reichlichst. Eine Sekretärin brachte Kaffee und dann durfte ich lang und breit erkläre, was ich denn will, wo ich her komme, ob ich zu den verdammten ausländischen BESATZERN gehöre (der genaue Wortlaut lautete in gelallter Form „Fxxkin’ bloody okupacija“). Nein, nein, studiert habe man in Belgrad und Okupacija und Agresija findet man ja auch überhaupt nicht toll. Das dann auch noch überaus holprigst in der Landessprache vorgetragen, steigerte meine Beliebtheit ins Unermessliche.

Nur hatte ich bis dahin noch nicht erfahren, was denn nun mit dem Chef war. Also Zigarette hier, Schulterklopfen da, Kaffee geschlürft, Rakija gegurgelt und eine dreiviertel Stunde später, entschwand endlich einer der Herren mit meinem kopierten Fragebogen, um mir dann zu erklären, dass Šefe die Woche über nicht da ist, ich aber gerne nächste Woche wieder kommen könnte. Dann bin ich aber leider schon aus dem schönen und sonnigen Kosovo entschwunden.

Ich bedankte mich, ergriff Hut, Mantel und Gesangbuch und ließ mir noch kurz erklären, wo denn hier die örtliche Pošta ist. Der Hintergrund war nämlich der, dass ich einer Bibliothekarin in Serbien doch versprochen hatte, eine Karte zu schicken und da ich der kosovarischen Post nicht so ganz über den Weg traue, insbesondere was den Postweg Kosovo-Serbien betrifft, wollte ich die Karte im Norden abgeben. Das Porto kostete auch nur 20 Dinar, weil man ja in Serbien sei, wie mir die werthe Frau Postbeamtin versicherte. Noch fix eine Pljeskavica eingeworfen, da ich bis dahin nichts gegessen hatte und sich dementsprechend auch schon der eine Rakija bemerkbar machte, marschierte ich dann kauend wieder über die Brücke gen Süden.

Bei der dortigen Behörde (inzwischen war es 14.20Uhr MEZ) wurde ich auch gleich durchgelassen. Leider kam mir mein dortiger Interviewpartner schon auf dem Gang entgegen, entschuldigte sich höflichst bei mir und erklärte, er hätte ganz vergessen, dass er jetzt ein ganz, ganz wichtiges Treffen mit jemandem vom ICO hätte. Der Alternativtermin wurde auch gleich gehender Weise vereinbart: Freitag 12 Uhr. Das ging halt nicht anders wegen seinem Kollegen im Norden. Und das der Mann um seine Mittagspause fürchtete, war mir dann auch relativ schnuppe.

Um 15 Uhr gab’s noch ein kurzes Kaffeetrinken und Gespräch bezüglich potentieller Beschäftigungsmöglichkeiten mit meinem Interviewpartner von letzter Woche in Mitrovica, welcher bei irgendeiner größeren internationalen NGO arbeitet, deren Name mit O anfängt und mit ZE aufhört. Nett war es. Dann eilte ich per Taxi zum Busbahnhof, weil ich um 19 Uhr nämlich noch ein Treffen im Grand Hotel in Prishtina hatte und die Uhr schon bedrohliche 16 Uhr anzeigte. Aufgrund glücklicher Umstände erwachte ich auch rechtzeitig aus einem traumlosen Schlaf, als der Bus zwischen Bill Clinton Boulevard und Busbahnhof in Prishtina anhielt. Da war es dann auch schon 18 Uhr. Zu Fuß war es dann nur ein recht kurzer Weg zum Grand Hotel. Leider bekam ich auf halbem Weg eine SMS, dass mein Treffen aus organisatorischen Gründen auf 19.45 Uh verschoben worden war. Jaja, natürlich macht das gar nix.

Besagtes Treffen hatte akademische Themen zum Inhalt mit denen ich die geneigte Leserin/ den geneigten Leser hier auch gar nicht länger belästigen möchte. Aber gut war´s und ich blickte danach auch etwas rosiger und gelassener in meine eigene berufliche Zukunft auf dem Balkan. Mein rosiger Gesichtsausdruck war aber sicherlich auch teilweise dem Umstand geschuldet, dass es natürlich mal wieder einen Rakija bzw. Raki gab.

Wir verabschiedeten uns um 21.15 Uhr und dann eilte ich zum guten Daut, weil nämlich noch anderthalb Stunden Albanisch auf dem Tagesprogramm standen. Schnell noch eine Zigarette geraucht und von 21.30 bis 23Uhr mit Müh und Not eine Lektion aus einem Albanisch-Buch gelernt und dann war ich so aufgedreht von dem ganzen Tag, dass ich mich mit Freude noch wohligen albanischen Klängen von seinem Computer hingab.

Zuhause war ich schlussendlich um 12 Uhr.

Und so gestaltet sich hier fast jeder Tag. Ich denke, ich hätte doppelt so viele, vielleicht sogar viermal so viele Interviews halten können, wenn meine Interviewpartner nur ein bisschen mehr ihre Termine überblicken könnten. Das nervt insbesondere, wenn man extra in eine andere Stadt fährt und auch der Rakija mit den Angestellten kann einen da nur äußerst mäßig tröstet. Jeder Gang muss dreimal gemacht werden. Aber so läuft es auch in den Bibliotheken der Universität ab. Heute wollte ich doch glatt ein paar Bücher ausleihen aus dem Human Rights Center der juristischen Fakultät. Da war aber leider abgeschlossen. Den halben Tag. Ich bin leider nur zweimal dort aufgekreuzt, in Begleitung meiner beiden Freunde Antonio und Daut. Aber vom Dekan der Fakultät(!) bis zur Studierendenschaft konnte man (und frau auch) nicht sagen, wann die Kollegen denn da sind. Eigentlich sollte ja jemand da sein. Tja, eigentlich…

Ansonsten war ich auch mal ein paar Tage krank (meine Empfehlung an potentielle Kosovo-Touristen: Fisch bzw. Frutti die Mare auf der Pizza und/oder Nudelgerichten ist gut und lecker und im Großen und Ganzen überall genießbar, nur bitte nicht im Grand Hotel) und hatte ein Nebenprojekt hier zu erledigen.

Aber anbei noch ein paar schöne Fotos von meinen persönlichen Eindrücken:

Vater vom serbischen Parallelbürgermeister, Murat, der Bürgermeister von Runik und Daut

Oj Kosovë bukuroshe, rreth em rreth e qosh em qoshe!

„Oh Kosovo, Schönheit, rum und drumherum und von Ecke zu Ecke“(wenn ich das richtig verstanden hab.)

Große Neuigkeiten! Ich hab einen Albanisch-Lehrer! Daut ist sein Name. Leider ist er nur etwas überdreht. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es das ganz trifft, oder ob er unter Hyperaktivität leidet. Er redet wie ein Wasserfall und was weniger schön ist: Läuft man mit ihm über die Strasse, labert er jede(!) Frau an. Und damit meine ich jede. Und das mit Sprüchen wie „Do you look at me?“ oder „I love you!“.

Das ist auch kein Übersetzungsfehler. Seiner Meinung nach kommt Englisch bei der hiesigen Damenwelt gut an.

Nach unserer ersten Stunde sind wir noch mit einem Freund von ihm in einen Club gegangen und da konnte ich aus nächster Nähe miterleben, wie es ankommt: Nach mehrfacher penetranter Anmache, bekam er von einer stolzen Schönen drei Kopfnüsse verpasst.

Aber natürlich hat das bisher kein Umdenken angeregt.

Und so habe ich letzte Woche lernen können, mit wie vielen Sprüchen man(n) hier abblitzen kann. Dabei unterschieden sich die Reaktionen nicht sonderlich von dem, was wohl jeder erwarten würde, wie „Hast Du Dich mal im Spiegel angeguckt?“, „Laß mich in Ruhe!“ oder auch nur ein einfaches Abstrafen durch Nichtachtung.

Am Samstag war ich mit ihm übrigens in seinem Heimatdorf namens Runik in der Gemeinde Skënderaj/Srbica. Den dortigen Bürgermeister konnte ich auch kennen lernen, weil der gute Daut große Pläne hat. Er ist dabei ein zünftiges Touri-Programm auf die Beine zustellen und demnächst Ausländer kreuz und quer durch den Kosovo zu kutschieren. Sobald seine Homepage steht, werde ich hier natürlich einen Link bereitstellen. Was Runik aber darüber hinaus für mich interessant macht, ist die kleine serbische Minderheit, welche im Nachbardorf wohnt. Daut und ich sind 4 Kilometer bei glühender Mittagssonne durch die Prärie gelaufen, damit ich dort eine Bergquelle (natürlich mit „beautiful serbian girls“) besichtigen konnte. Natürlich waren nur drei Typen da. Ein Bekannter von ihm, seines Zeichens Profifußballer, ein älterer Kosovo-Albaner und ein älterer Serbe. War auch ganz nett, sich mit denen zu unterhalten. Probleme scheint es, abgesehen von der dort nicht-vorhandenen Wirtschaft, nicht zu geben.

Später waren wir auch noch in einem serbischen Kramladen auf ne Cola. Und natürlich musste mein Lehrer die Töchter des Ladenbesitzers angraben, so dass sein Bekannter und ich uns fremdgeschämt haben. War aber ganz nett dort. Das Dorf ist elektrifiziert, Wasser kommt aus der Quelle, es gibt nur keine Kanalisation etc.

Ich hab auch vor in den nächsten Tagen bzw. der nächsten Woche sowohl den kosovo-albanischen als auch den serbischen Bürgermeister (ihr wisst ja, Parallelstrukturen. Die herrschen beide über die gleiche Gemeinde, erkennen sich aber gegenseitig von Amts wegen her nicht an) für meine Dissertation zu interviewen. Ersterer hat mir seine und die Nummer seines „Kollegen“ gegeben.

Ansonsten sind wir ungefähr eine Million mal zum Kaffee eingeladen worden, von Dauts Bekannten und Freunden, als auch von einem alten serbischen Mütterchen, welches meinen werthen Lehrer zuerst auch noch, allerdings ohne böse Hintergedanken, sondern vielmehr aus alter Gewohnheit, nicht als Albanac, sondern als Šiptar bezeichnet hat. Natürlich hat sie sich tausendmal entschuldigt und uns, wie gesagt, danach auf Rakija und Kaffee eingeladen. Leider hatten wir keine Zeit, weil ja noch das Treffen mit Murat, dem Bürgermeister anstand. Also wieder vier Kilometer zurück und zugesehen, dass wir per Anhalter mitgenommen werden. Schließlich hielt ein kleiner LKW und wir sprangen auf die Ladefläche.

Im Übrigen war das das erste Mal, dass ich auf einer offenen Ladefläche mit gefühlten 80km/h durch die Landschaft gebraust bin. Sehr cool.

Hier auch noch ein Foto von der berühmten Brücke in Kosovska Mitrovica, da wir mit Bus, Minibus und per Anhalter über K.Mitrovica und Klina nach Runik gefahren sind.

Auf dem Rückweg gabs dann noch nen Snack in Skenderaj.

Achja, letzten Mittwoch habe ich einen „alten Bekannten“ kennen gelernt: Azem Vllasi. Seines Zeichens heute Anwalt. Ich hab einfach vor seinem Büro gewartet, bis er vorbei kam. Zuerst war ich mir auch nicht ganz sicher, ob er es ist: Ein älterer Herr in Freizeitkluft, der an seinem Wagen rumfurwerkte und gar nicht aussah, wie  so wie man sich halt lebende Geschichte vorstellt.

Ich hab ihm gesagt, dass ich gern ein Interview mit ihm führen würde und schon saß ich zwei Minuten später in einem Cafe und wartete bis er sein Auto mit allerlei Kram vollgeladen hatte. Dann tranken wir einen Kaffee, er erzählte ein bisschen von früher, von Tito und seiner Zeit im Gefängnis und jetzt sind wir für Mitte/Ende August verabredet für ein Interview, weil er vorher noch nach Kroatien muß. Für den Falle eines Falles wird dann wohl auch noch sein Sohn dabei sein, da dieser fließend Englisch spricht. Wobei ich die Sprachkenntnisse von Herrn Vllasi sen. nur als überaus gut bezeichnen kann.

Die Nummer von Shkelzen Maliqi hat er mir im Übrigen auch gegeben. Ihn und Veton Surroi wird ich morgen bei der Koha ditore aufsuchen.

Ansonsten hab ich noch eine ganze Liste an Altkadern, die teilweise heute im Pralament sitzen. Manche sind leider schon über 90, aber Leute wie Kaqusha Jashari würd ich ja schon gerne mal interviewen.  Oder Hydajet Hyseni! Nur möchte ich mal wissen, welcher Serbe damals im Zentralkomitee oder in der Provinzregierung saß. Vllasi hat zwar bisher keine Namen genannt, meinte allerdings, dass seien früheren serbischen Kollegen heute alle in Belgrad bzw. Zentralserbien leben.

Back to Balkan

Heute Abend geht’s wieder zurück nach Prishtina. Es war eine durchaus spaßige, aber vor allem anstrengende Woche hier in Belgrad. Gewohnt hab ich bei meinem Freund Djordje in Cerak und mein Tag war bestimmt vor allem von „Exkursionen“ nach Železnik ins Arhiv Srbije und nach Topčiderska Zvezda ins Arhiv Jugoslavije. Außerdem war ich am Donnerstag noch für ein einstündiges Interview im Palata Federacije, genauer beim Ministarstvo za Kosovo i Metehiju. Oliver Ivanović, Staatssekretär im Ministerium, hatte sich etwas Zeit für mich genommen. Das Interview war auch überaus tiefgehend und eigentlich bin ich sogar etwas überrascht gewesen, wie offen der Herr Staatssekretär über vielerlei Dinge gesprochen hat. Die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes spielte in meinem Interview eher eine untergeordnete Rolle, da dies nicht so viel mit meiner Dissertation zu tun hat. Ich bin mehr daran interessiert, wie Serbien administrativ Einfluss auf die serbischen Enklaven und insbesondere auf Nord-Mitrovica nimmt. Allerdings musste ich ja doch etwas schmunzeln, als er mir erklärt hat, dass das Ministerium keine Ahnung hat, wie viel der Casus Kosovo den serbischen Steuerzahler kostet… Da schweigt man sich doch besser aus bzw. lässt die Antwort unklar. Vielleicht wäre das Wahlvolk nicht so begeistert. 😉

Falls sie allerdings tatsächlich auf ministerialer Ebene keine Ahnung haben, wär es auch ein Grund, der Regierung ein Armutszeugnis auszustellen.

Welche Meinung habt Ihr denn so zur Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes? Ich glaube ja nach wie vor, dass die serbische Regierung die falsche Frage gestellt und darauf schließlich die richtige Antwort gekriegt hat: „War die ERKLÄRUNG der Unabhängigkeit illegal?“ Na, erklären kann man ja viel…

Schön war auch dass ich ein paar Freunde die Tage über treffen konnte. Dusan ist unter die Streetfighter gegangen, bzw. hat sich in einer heldenhaften Aktion schützend vor einen Freund gestellt und sich dabei die Hand gebrochen, als er irgendeinem Typen eine gehauen hat.

Und gestern auf heute bin ich bei Ivana untergekommen. Wir waren heut ein bisschen an der Sava zum Kaffee trinken und Eis essen.

Achja, Gratis-Unterricht in Serbisch hab ich auch gekriegt, da ich mit Djordjes Mutter morgens immer nen ordentlichen türkischen Kaffee bekommen hab. Außerdem bin ich jetzt bestens informiert über türkische Seifenopern im serbischen Fernsehen und was wirklich in der Schlacht an der Neretva passiert ist („Bitka na Neretvi“ kam im Fernsehen und es gab doch den ein oder anderen Disput zwischen Djordje und seinem Bruder auf der einen Seite und Djordjes Mutter auf der anderen. An dieser Stelle noch mal meine Međunarodna Solidarnost an Tante Zorica, wie ich sie nennen soll:-D).

Und hier noch was fürs Ohr und Auge: 😀 😀 😀 Meiner Meinung nach, ein kultureller Ausdruck sozialer Probleme auf dem Balkan.

Online

Na, da ist er nun mein Blog. Und ehrlich gesagt, frage ich mich nun, was ich überhaupt schreiben soll. Die letzten zweieinhalb Monate waren durchaus ereignisreich, auch wenn es mir im Grunde wie Normalität vorkommt. Der/Die geneigte LeserIn (an dieser Stelle möchte ich kurz erwähnen, dass ich aus Gründen der Einfachheit und des angenehmeren Lesestils in Zukunft auf eine genderkompetente Schreibweise verzichten werde;-)) dieses Blogs kann dies sicher nachvollziehen. Meine Zeit in Belgrad wurde vor allem von drei Dingen bestimmt:

  1. Arbeit (Recherche für die Diss., Sprachunterricht)
  2. Organisatorisches (Anmelden, Ummelden, Abmelden, Beantragen, Warten etc.)
  3. und alte und neue Bekannte und Freunde treffen (An dieser Stelle liebe Grüße)

Vor jetzt bald drei Wochen bin ich dann schließlich aus Belgrad Richtung Prishtina abgefahren. Die ersten Tage konnte ich bei meiner Bekannten Rreze unterkommen, bis ich endlich was eigenes gefunden hatte. Die Suche nach eigenen vier Wänden gestaltete sich dann doch etwas schwierig. In Prishtina ist man mehr darauf eingestellt, dass die Ausländer mit einem anderen Budget aufwarten können und vor allem länger bleiben. Am dritten Tag nach meiner Ankunft waren vier(!) Makler damit beschäftigt, mir eine Bude zu suchen. Nebenbei bin ich mit ein paar kosovo-albanischen Studenten die Kleinanzeigen der örtlichen Käseblätter durchgegangen. Ihr könnt Euch vorstellen, Prishtina kenne ich nun ganz gut. Die meisten Apartments, die für kleines Geld zu haben waren, waren denn auch alptraumhaft – Pappe vor den kaputten Fensterscheiben, Badezimmer noch im Rohbau, am Stadtrand oder auch einfach alle diese Dinge zusammen.

Eine Wohnung im Haus einer Familie hätte ich auch zu gern genommen, nur leider ist sie an einen anderen finanziell wohl potenteren Mieter gegangen. Insgeheim dachte ich aber auch, dass es vielleicht daran liegen könnte, dass mir eine der beiden Töchter des Hausherren zu sympathisch war. Man wird es nie erfahren, liebe Freunde.

Letztendlich hab ich aber ein überaus schönes Domizil bei den Eheleuten Fazliu bezogen. Im Kosovo ist es üblich, wie mir gesagt wurde, für jeden Sohn der Familie eine Etage aufs Haus draufzusetzen, damit dieser später mit seiner Frau bei seinen Eltern wohnen kann. Und da beide Kinder meines Vermieters in den USA studieren, bin ich so ehe ich mich versah vorübergehender Bewohner einer 4-Zimmer-Wohnung geworden. Für einen Preis von dem man natürlich in Germany nur träumen kann.

Auch erkundigt man sich ausgesprochen oft hier nach meinem Wohl. Dies gehört aber eher zur Begrüßung dazu. Sagen wir mal, man ist hier orientalisch freundlich. Für einen Kaffee oder eine Zigarette hat hier jeder Zeit.

Ansonsten muss ich sagen, ist die Mentalität, wie ich bereits vorher wusste, schon in mancher Hinsicht eine andere als in Serbien. So ist man zwar auf den ersten Blick offen und überaus freundlich und zuvorkommend, auf der anderen Seite merke ich aber doch, dass viele Themen schon fast ein tabu sind. Natürlich soll man nichts verallgemeinern und ich habe auch ein paar Leute kennen gelernt, bei denen das nicht so ist, aber je nachdem sind Themen wie Kritik an Staat und Gesellschaft, Minderheiten oder auch Privates, Dinge bei denen man im Zweifelsfall nur äußerst oberflächliche oder geradezu propagandistische Antworten zu hören kriegen kann. Ich denke, Ihr versteht, was ich meine. Man neigt halt doch sehr dazu, die nicht nur sprichwörtliche Fahne extrem hoch zuhalten. Alles Gegenteilige ist nicht so recht erwünscht. Wie gesagt, ich habe auch andere Leute kennen gelernt, nur haben mir eben diese gesagt, dass das mit der Meinungsfreiheit so eine Sache ist.

Aber nun mehr zu meinen Erlebnissen. Wie Ihr ja vielleicht wisst, habe ich mich für die „International Summer University in Prishtina 2010“ angemeldet und nun doch mit einigem Erfolg daran teilgenommen. Ursprünglich war mir sogar angeboten worden, selber einen Kurs hier zuleiten, aber aus Zeitmangel hab ich das Projekt mal auf Eis gelegt. Mein Kurs mit dem hochinteressanten Titel „Kosovo´s way to European Union“ gestaltete sich denn auch als buntes Programm und vor allem Kaffeefahrt zu allen wichtigen Organisationen vor Ort. So waren wir zu Diskussionsrunden bei EULEX, ECLO, KFOR, ICO und hatten sogar zwei hiesige Vertreter des Staates sowie eine Delegation der OSZE bei uns.

Selbstverständlich habe ich sowohl die Philipps-Universität zu Marburg als auch die Friedrich Schiller-Universität würdig vertreten. Ich war zwar nicht der einzige Doktorand in meinem Kurs, aber hey, seit vier Jahren hatte ich ja kaum ein anderes Thema. Besonders schön war es, dass wir auch einige serbische Teilnehmer hatten. Vor allem da natürlich unter den kosovo-albanischen und albanischen Studenten große Einigkeit bezüglich Kosovos Past, Present and Future bestand, welche allerdings nicht immer so ganz der Faktenlage entsprach. Die Studierendenschaft aus Bosnien, Mazedonien und Serbien bestand hingegen aus überaus aufgeklärten Geistern – sonst wären sie ja wohl auch kaum gekommen -, die sich lediglich am teilweise übermäßigen Fahnenschwenken der einheimischen Bevölkerung störten und wie ich im Übrigen auch, doch durchaus irritiert waren, wenn uns erklärt wurde, was das denn so mit der weitverbreiteten Staatsflagge Albaniens auf sich hat. Diese sieht man dann doch um einiges öfter als die vom Westen bevorzugte kosovarische Staatsflagge und soll dann auch mehr Jedinstvo als Bratstvo symbolisieren. Letztere hat darüber hinaus meiner Meinung nach ein höchst frapierende Ähnlichkeit mit der Flagge Bosnien und Herzegovinas. Wenn das kein Zeichen ist!

Die Sommer-Uni war hier übrigens ein hochoffizieller Anlass. Zur Eröffnungszeremonie gab’s nicht nur einen Kurzauftritt von zwei Sopransängerinnen mit Klavierbegleitung, sondern auch ein paar Reden vom Dekan, dem Bildungsminister und Präsident Sejdiu persönlich. Alles live im Fernsehen. Augenzwinkernd musste ich ja doch etwas an Public Relations oder Schlimmeres denken, als man sich zusammen unter den Augen der Bodyguards zur Nationalhymne erheben durfte – aber ich erinnere mich, dass es zu meiner Diplomfeier nicht einmal der Bürgermeister geschafft hatte, geschweige denn jemand von der Landesregierung… Es war also schon ziemlich beeindruckend.

Ich selbst war auch zweimal im TV. Einmal in einem Straßeninterview am Tag vor der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs. Meine Prognose war allerdings, dass die Entscheidung neutraler ausfallen würde und das sowohl für Serbien als auch Kosovo keine Maximallösungen zu erwarten seien (weniger in bezug auf die Statusfrage, die ist ja auch schon vorher de facto beantwortet worden, sondern mehr in bezug auf Verhandlungen im Kleinen oder sogar einen möglichen Gebietsaustausch). Das zweite Mal… Nun, liebe Freunde, auf der Abschlusszeremonie brauchte man halt noch einen ausländischen Studierenden, der vor den versammelten 400 Leuten plus Fernsehkameras noch mal im Namen aller noch ein paar Worte sagt. Tja, und nachdem der Bildungsminister, der Dekan und eine Gast-Professorin aus Budapest gesprochen hatten, wurde der Verfasser dieser Zeilen mit den Worten „and now will speak the Special Representative of the Students of Prishtina International Summer University, Raoul Ott“ auf die Bühne gerufen. Krass. Ich hoffe, ich krieg das Video. Natürlich hab ich mir von einem der Kameramänner die Nummer geben lassen. „Das waren also meine 15 Minuten Ruhm im Leben.“, war mein Gedanke hinterher. Ich hab es aber nach Aussage aller Anwesenden im Großen und Ganzen gut gemeistert, vor allem auch ohne auch nur einen Satz vorbereitet zuhaben. Die Nervosität hat man mir aber, glaub ich, schon angemerkt.

Das Ausflugsprogramm werde ich jetzt an dieser Stelle nicht weiter erläutern. Wir haben letztes Wochenende zwei Abstecher nach Prizren und zur Rugova-Schlucht gemacht. Mit zusätzlichen Ausflugszielen Peć/Peja und nach Skënderaj zum Grab von Adem Jashari. Gerade bei dem fast mythischen Gründer der UCK erregten sich dann auch etwas die Gemüter, wie Ihr Euch sicher denken könnt.

Ich bin mal gespannt, was so in den nächsten Wochen passieren wird. Meine Interviewpartner habe ich ja quasi alle während der Sommer-Uni kennen gelernt und fleißig Visitenkarten ausgetauscht. Das kosovarische Archiv soll leider aber keinen reichen Fundus an Primärquellen aufweisen, da 1999 wohl fast alle für mich interessanten Akten von der serbischen Armee entweder abgefackelt oder nach Niš abtransportiert wurden. Dies ist mir auch von einer Bekannten aus der serbischen Enklave von Gračanica bestätigt worden.

Gračanica gehörte zu meinem selbst organisierten fakultativen Ausflugsprogramm mit ein paar ebenfalls ausländischen Teilnehmern der Sommer-Universität. Insbesondere die serbischen Studenten wollten doch unbedingt mal sehen, wie es ihren Landsleuten wirklich geht. Und na ja, das ist schon alles deprimierend, auch wenn die Kosovo-Serben wiederum ihre Fahne ad minimum genauso eifrig hoch halten wie die Kosovo-Albaner. Außerdem war ich noch bei Vetëvendosje, der „kosovarischen Apo“, sowie mit meinen Freunden Kamil aus Prag und Dušan aus Belgrad auf dem Amselfeld. Ein Marsch und Abenteuer von teilweise geradezu epischen Ausmaßen, da wir knapp 4-5 km eine „Magistrale“ lang marschiert sind, vom serbischen Turm bis zum Grab Murads I.

Ich werd mal zusehen, ob ich noch eine Genehmigung für Niš kriege. Diese Woche bin ich in Belgrad, um noch ein paar Archivsachen zu erledigen. Ein leidiges Thema, was partout nicht so recht zum Abschluss kommen will. In Kosovo habe ich wenigstens Zugang zu viel internationalem Material, nicht zuletzt durch meine Interviewpartner.

So, jetzt leert sich mein Akku. Bin grad im Bus und noch ne gute Stunde von Belgrad entfernt. Grüße an Euch alle!