Archiv für den Monat: Mai 2011

Ein nicht ganz so kleiner Zwischenbericht.

Am Freitag war ich mit einer Freundin von Marion Kaffee trinken, was überaus spektakulär war. Dies möchte ich erwähnen, nicht nur weil ihr Gatte eine exponierte Stellung in der hiesigen Politik einnimmt oder ihr Wesen ein überaus freundliches ist, sondern weiterhin weil sie in Journalistik promoviert. Außerdem haben wir über das hiesige Machotum, die Kleinstadt Jena und ein paar andere Dinge gelacht.

Danach war ich im Human Rights Center der Universität. Ich hab ein paar Bücher ausgeliehen und sie flugs in den Copyshop getragen. Dort wiederum traf ich einen Bekannten von der Sommeruni letztes Jahr. Leider spricht er kaum Englisch, zerrte mich dann aber in ein Eiscafe, wo ich bei seinen Freundinnen als „der Deutsche von letztem Jahr“ präsentiert wurde. Anschließend bin ich dann zur Veteranenorganisation der UCK marschiert, da die mich natürlich nicht zurück gerufen haben. Allerdings hab ich im Treppenhaus zwei recht kräftige Gestalten angesprochen, welche sich als Veteranen entpuppten. Einer ist sogar Mitglied der berühmten Gründer-Familie der UCK, der Jasharis, und Bruder des Präsidenten besagter Veteranen. Also kurz vorgestellt und dann ab ins Cafe. Am Dienstag gibt’s das große Interview mit Diktiergerät, am Freitag war es erst mal ein kurzes Kennenlernen. Einen Stein bei ihnen hatte ich dann auch im Brett, nicht nur wegen einer früheren Bekanntschaft, welche ein paar Monate mit der UCK in den Bergen gelebt hat, sondern auch weil ich mich gegenüber Herrn Jashari als trinkfreudig erwies. Rakija/ Raki kann da manchmal wahre Wunder wirken, wenn das Gespräch zu erlahmen droht. Vollends ins Herz schloss er mich dann, als ich noch „Oj Kosovë bukuroshe, rreth em rreth e qosh em qoshe!“ (Übersetzung siehe unten) sagen konnte.

Inhaltlich ging es vor allem schon mal um Organisation und Aufbau der UCK sowie die Ausgangsbedingungen vor den Kampfhandlungen. Auch haben sie mir von einigen serbischen Kriegsverbrechen erzählt, deren Zeuge sie oder Bekannte von ihnen wurden und welche mir durchaus unter die Haut gingen. Vor allem weil sie beide auch betonten, dass hier im Kosovo mit den traditionellen Rollen- und Geschlechterbildern und dem Begriff der Familienehre, der Angriff auf Frauen des Feindes als besonders scheußlich angesehen wird. Interessant und geradezu positiv überrascht war ich dann auch von der Antwort auf meine Frage, wie denn die UCK mit serbischen Zivilisten umgegangen ist. Im Grunde glaubte ich, dass sie mir sagen würden, dass es so etwas natürlich niemals gegeben hat. Zu meiner Überraschung sprachen sie aber zumindest schon mal von „Einzelfällen“ bzw. einzelnen Tätern.

Zum Abschied wurden dann noch eifrigst Hände geschüttelt und mir dann versprochen, dass ich am Dienstag zwei Interviews – eins mit seinem Bruder, dem Präsidenten der Veteranenorganisation und eins mit ihm selber – führen darf. Außerdem wurde mir ein ausgiebiges Frühstück bei den Veteranen zugesagt. Ich warte da aber lieber mal ab, ob es wirklich Frühstück gibt. So nah beim Orient redet man ja bekanntlich gern und viel und dann gibt’s doch nur ein olles Müsli.

Mit schmerzender Hand aufgrund des recht festen Händedrucks zog ich dann meiner Wege, sowohl mit einem Lächeln als auch einem Grübeln im Gesicht stehend. Selbstredend hab ich mir nicht anmerken lassen, dass der Händedruck erahnen ließ, dass man beiden Herren besser keine üblen Streiche spielen sollte. Aber das hab ich ja eh nicht vor, und daher harre ich jetzt erst mal des Dienstags.

Morgen hab ich vielleicht noch ein Kaffeedate mit Azem Vllasi. Der hatte mir ja bereits letztes Jahr ziemlich imponiert und deshalb hab ich ihn heut angerufen und gefragt, ob wir uns nicht mit Aziz Salihu treffen sollen. Ich bin gespannt, ob`s klappt. Leider konnte/ wollte er mir noch nicht fest für morgen zusagen. Meine lieben Freunde hier finden es sowieso etwas seltsam, dass ich mit dem früheren Präsidenten der Sozialistischen Autonomen Provinz Kosovo rumhängen möchte. Aber er hat es mir irgendwie angetan. Und außerdem würde ich gerne ein paar Anekdoten aus den wohligen Zeiten des Genossen Tito lauschen…

Ansonsten gibt’s noch ein paar kleine Neuigkeiten: Shkelzen Maliqi ist übers Wochenende zur Wahlberichterstattung in Albanien. Ich hoffe ja sehr, dass ich ihn noch erreichen kann. Das Karaoke-Programm, welche für heute Abend geplant war, ist leider aufgrund starker Ermüdungserscheinungen von Dia ausgefallen und ansonsten überlege ich ja noch, wen ich diese Woche noch interviewen soll. Eigentlich wäre mir ja sehr daran gelegen, meine lieben Freundinnen Dia und Qendresa zu interviewen, weil sie die politische Sachlage sehr gut kennen, über die Zeit des Krieges viele Informationen haben und außerdem aus politisch aktiven Elternhäusern kommen. Der Gedanke kam mir im Übrigen, da es den Anschein hatte, dass man mir wohl bei den Veteranen auch ganz gern einige Informationen verheimlicht. Zumindest erfolgte bei der Wiedergabe einiger Themen meines Gesprächs recht lauter Protest von Seiten meiner Freunde. Es bleibt also spannend, wie es wird. Ich bin auch immer wieder fasziniert davon, dass das Thema „UCK“ ein durchaus unaufgearbeitetes in der hiesigen Gesellschaft ist. Viele Leute aus meinem Umfeld haben zwar durchaus großen Respekt vor ihnen, mögen sie aber deshalb nicht unbedingt.

Gestern Abend hatte ich übrigens noch sehr netten Besuch von Visar. Weil der heute morgen nach Gnjilane/ Gjilan fahren musste, hat er bei mir in meiner überaus geräumigen Wohnung genächtigt. Es gab Shisha und ein überaus interessantes Gespräch über den Islam. Ich muß ja gestehen, dass ich da auch etwas unbedarft bin, wenn es nicht um die gängigen Themen wie fünfmal am Tag beten, den Aufstieg Mohammeds gen Himmel und so weiter geht. Vor allem hab ich ein paar kleine Geschichten aus dem Alltag mit der Religion erfahren, welche zwar so kaum eine Rolle hier spielen, da man (und frau auch) hier kein besonderes Faible für jenseitige Themen hat, welche aber dennoch ein kleines Stück Alltagskultur bei manchen Leuten zuhause bilden. Z.B. muß man (und frau erst recht), wenn man etwas verloren hat, mit Hilfe eines kleinen Gebets den Teufel in einer Flasche einfangen, um somit die finsteren Mächte zu zwingen, einem bei der Suche zu helfen. Da man dem Teufel allerdings geschworen hat, ihn bei erfolgreicher Suche wieder frei zulassen, öffnet man hinterher besagte Zauberflasche und deshalb ist das Böse nach wie vor noch in der Welt.

Ich sehe gerade, dass es 1:20 Uhr ist und ich immer noch und mal wieder im Grand Hotel herumsitze. Das war nun also mein nicht ganz so kleiner Zwischenbericht.

Natën e mirë/ Laku noć!

PS: Noch ein kleines Lied, das mich heute sehr berührt hat.

Welcome back!

So schnell hätte ich nicht gedacht, dass ich wieder was auf dem Blog hier veröffentliche. Aber das Leben schlägt ja manchmal Purzelbäume. Ich bin letzten Freitag nach ein paar schönen Tagen bei Marion in Wien in Belgrad angekommen. Djordje hat mich am Flughafen mit seinem neuen Auto abgeholt, mich bei seiner Familie abgesetzt und dann wurde ich erst mal mit Essen vollgestopft. Seine Familie hatte auch einen offiziellen Anlass für die Kocherei, da es der erste Todestag von seinem Großvater war. Interessant fand ich vor allem, dass man sich eigentlich dann auf dem Friedhof trifft, um auf dem Grab(!) zu speisen. Samstag hab ich dann ein paar organisatorische Sachen erledigt und Sonntag gings dann mit dem Bus weiter in den Kosovo. Ich hab zum ersten Mal den Mittagsbus genommen, so dass ich schon gegen 18 Uhr am Busbahnhof von Prishtina angekommen bin. Dann ab mit dem Taxi zum berühmten Grand Hotel und – da hab ich festgestellt, dass ich meinen Rucksack (Inhalt: Wörterbücher und ein paar kleine Präsente) im Bus vergessen hab. Was tun? Ich bin schließlich mit einem sehr freundlichen Taxifahrer zum Busbahnhof zurück, wo er gefühlte tausend Leute nach der Telefonnummer des Busbahnhofs gefragt und ungefähr tausend Leute angerufen hat. Da wir keinen erreichen konnten, sind wir weiter nach Gracanica gefahren, zur nächsten Haltestelle. Natürlich war der Bus auch schon dort weiter nach Prizren gefahren. Allerdings konnte uns eine Serbin von der Busgesellschaft eine andere Handynummer geben, so dass ich vor der Wahl stand, meinen Rucksack entweder noch am selben Tag in Prizren aufzusammeln oder am nächsten Tag in Prishtina auf der Rückfahrt des Busses in Empfang zu nehmen. Spontan wie ich bin, sagte ich, dass es mir doch lieber wäre mein bescheidenes Eigentum doch noch lieber heute entgegen zu nehmen. Also fuhren wir so schnell uns der Mercedes trug durch die einberechende Nacht nach Prizren. Der Taxifahrer sprach recht gut Deutsch, da er über eine längere Arbeitserfahrung in einschlägigen Etablissements in Berlin verfügte. Hochinteressant, da ich selbst noch niemals näher mit Leuten aus dem Milieu zu tun hatte. Dies konnte er mir auch ansehen, wie er bemerkte. Also mit anderen Worten sieht man mir an, dass ich zart besaitet bin. Als wir dann gegen 21 Uhr in Prizren ankamen, lief ich in das Büro von Adiotours, wo eine ältere Dame in strenger Garderobe mich bereits erwartete, um mir den Rucksack zu geben. Ich bedankte mich höflichst und konnte anschließend dem Vorschlag des Taxifahrers etwas zum Abendessen zu uns zu nehmen, nicht widerstehen. Als ich allerdings anmerkte, dass wir ja irgendwo einen Burek essen gehen können, lachte er laut und meinte, „Wir sind Männer! Wir brauchen Fleisch!“ Also Fleisch…

Dann lud er mich noch an einer Tankstelle auf einen Kaffee ein, den wir dann im Auto tranken und Zigaretten schmauchten. Ich muß mich bei der Umweltbewegung im In- und Ausland entschuldigen, aber seinem Vorschlag anschließend einfach bei voller Fahrt meinen Pappbecher aus dem Fenster zuwerfen, konnte ich nicht widerstehen. Dann lieferte er mich wieder in Prishtina bei unserem Ausgangspunkt ab, von wo aus ich weiter zu meiner Freundin Qendresa und ihrem Freund James fuhr. In ihrer Wohnung hab ich dann bis vorgestern Abend gewohnt.

Inzwischen sitze ich in einer Wohnung meines Freundes Visar, welche mal wieder eindeutig mit ihren drei Zimmern und zwei Toiletten zu groß für mich alleine ist. Leider gibt’s aber kein Internet noch Tv, aber einem so preiswerten Gaul schon man eh nicht ins Maul.

Deshalb häng ich jeden Tag im Grand Hotel oder sonst wo rum, um meine Emails zu lesen. Manchmal hab ich ja den Eindruck, dass es hier bald mehr WLAN-Hotspots als Jobs gibt. Wie sich der geneigte und Balkanerfahrene Leser sicher denken kann, ist die soziale Situation nach wie vor äußerst prekär. Dies bezieht sich aber nicht nur auf den Kosovo, obwohl hier die Lebensverhältnisse am bescheidensten sind, sondern auch auf Belgrad. Es ist auch in Serbien nichts besonderes ohne jegliche Sozial- oder Rentenversicherung irgendwo zu arbeiten, obwohl die hiesigen Arbeitnehmerrechte auch gesetzlich verankert sind. Laut Aussage meines Freundes ist das sogar gängige Praxis bei ausländischen Botschaften.

Vorgestern hatte ich übrigens mein erstes Interview mit Herrn Dr. Bujar Bukoshi, seines Zeichens früherer Ministerpräsident der kosovarischen Exilregierung und jetziger Vize-Premier Kosovos. Er hat meine Fragen unglaublich ausführlich beantwortet und mir insbesondere in Bezug auf die 1990er Jahre viele Anregungen gegeben. Manche Überlegungen, wie und woher der kosovo-albanische Widerstand kam und wie dies noch heute die politische Szenerie prägt, haben sich bestätigt. Und natürlich hat er sich sehr gefreut, als ich ihm noch Grüße von meinem Zweitgutachter, Herrn Prof. Dr. Kramer, übermittelt habe.

Gestern hab ich noch eine Hausarbeit korrigiert und war anschließend bei der Organisation der Kriegsveteranen der UÇK. Leider war niemand zuhause, aber dafür geh ich gleich noch mal hin. Außerdem hat mir meine Bekannte Dia einige inhaltliche Anregungen gegeben, das würde aber jetzt hier zu weit führen. Ich war gestern mit ihr und ihrer Freundin Nora essen und anschließend im „Tingel-Tangel“, einen kleinen Kneipe im Stadtzentrum. Da hängen überhaupt alle alternativen Geister der Stadt rum und so verschlägts auch mich öfters dahin, um Leute zu treffen. Nora ist im übrigen in einer NGO für Kunst und Kultur tätig. Ich habe also schon Kontakt geknüpft für ein kleines Nebenprojekt (an dieser Stelle Grüße an Jana und Milica! J).

Noch eine kurze Ergänzung: Ich sitz grad im Grand Hotel. Hier haben sie einen freien Internetzugang und es ist etwas ruhiger als n den ganzen Straßenkneipen. Die Kriegsveteranen müssen erst mit ihrem Präsidenten abklären, ob ich ein Interview bekomme – ein Schelm, wer böses oder Ironisches darüber denkt.