Archiv für den Monat: Mai 2013

Rockpartizani

Ich bin heut Abend aus Belgrad zurückgekommen.DSCF1935 Mein Freund Dusan hat gestern sein letztes Jura-Examen gehabt, deshalb waren wir auf einem absoluten Hipsterfestival in Belgrad. Recht feucht fröhlich war es. Und damit meine ich auch das Wetter. Wir haben bei einem Freund von ihm in Karaburma übernachtet und als ich heute Morgen aufgewacht bin, hagelte es Eisklumpen von der Größe von Taubeneiern.

Natürlich bin ich im Anschluss nach Kuca Sveca gefahren, der Begräbnisstätte Titos. Alles in allem war es mein siebter Besuch dort.  Ich hatte mir schon vor ein paar Jahren überlegt, dass es doch ein ganzes nettes Ritual wäre, jedes Mal wenn ich in Serbien bin, auch den Marshall zu besuchen.

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Da mein Akku bald wieder mal zur Neige geht, fass ich mich kurz und erwähne noch ein paar Anekdoten der letzten Tage und Wochen. Mein Seminar zur Kritischen Theorie lief, glaub ich, ganz gut. Es war zwar fakultativ und daher eher mittelmäßig besucht, aber ich habe mir sehr viel Mühe gegeben, den Studentinnen und Studenten mit viel Witz, Esprit und Lebensnähe ein paar Konzepte von Adorno, Horkheimer, Marcuse & Co näher zu bringen. Zum Thema Entfremdung und Überbau habe ich hier noch ein kleines Foto.DSCF1737 Das abgebildete Plakat besagt, dass glückliche serbische Rentner im Supermarkt ihres Vertrauens voller Freude und Dankbarkeit an den genannten Tagen billiger einkaufen können. Aber natürlich keine Zigaretten! 😉 Soviel zu den Themen Rentenstabilität, Alterssicherheit und psotmoderne Konsumwirtschaft. Als Kulturpessimist, als wecher ich ja öfters gescholten werde, bin ich mir aber sicher, dass wir das auch bald haben.

Übrigens bleib ich länger in Kragujevac. Ich werd erst am Dienstag weiter nach Prishtina fahren. Auch weils so schön ist, aber natürlich auch weil ich viel zu tun hab.

Ah, wussten Sie, dass die Nazis hier Massaker veranstaltet haben? Nein, Bildungslücken gilt es zu schließen.

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Letzten Sonntag hab ich auch mit Irena einen Ausflug nach Kraljevo gemacht. Weitere Fotos folgen in Kürze. Kragujevac finde ich aber persönlich netter. Das leigt weniger an der wirtschaftlichen Situation in Kraljevo, sondern einfach an meiner subjektiven Meinung. DAs Zentrum macht hier einen weitaus gemütlicheren Eindruck, auch aufgrund der alten Bausubstanz. Und bei Ivanas Eltern war ich auch am Dienstag zum Abendessen eingeladen.

Warme Worte

Also, ein paar kurze Sätze zu meiner Ankunft in Kragujevac: Nach einem ausgiebigen Mittagessen mit Djordjes Schwiegereltern und einem überaus amüsanten Gespräch mit seinem Schwiegervater über Investment-Möglichkeiten und die richtigen Frauen zu Heiraten begab ich mich denn zum Belgrader Busbahnhof. Das Zugverkehrsnetz Serbiens ist immer noch in einem maroden Zustand, was wohl nicht nur unmittelbar den Kriegen, sondern vor allem fehlenden Investitionen geschuldet ist. Daher läuft der Personenfernverkehr hauptsächlich, wie auch in den Nachbarländern, mittels Reisebussen ab. Die sind im Übrigen auch recht preiswert auch für den hiesigen Standard, so dass ich für meine zweistündige Fahrt nach Kragujevac über den Autoput lediglich knapp vier Euro berappen mußte. Auf dem Weg in die Stadt fuhren wir an einem gut 5m großen orthodoxen Kreuz aus Gußbeton, gefolgt von einem noch größeren Fiat-Emblem in der Mitte eines Kreisverkehrs vorbei. „So weht hier also der Wind“, war mein erster Gedanke. Schön fromm und arbeitsam zu Fiat in die Montagehalle… Zur Erläuterung muß ich an dieser Stelle erwähnen, dass die früheren Zastava-Werke in Kragujevac die berühmten jugoslawischen Autos Yugo Koral und Zastava 750(den Fića) in Lizenz mit Fiat zusammen gebaut haben. Früher arbeiteten bis zu 50.000 Menschen in den Fabriken, heute sind noch 3000 übrig geblieben und Fiat hat irgendwann vor ein paar Jahren die Firma aufgekauft und lässt jetzt eigene Autos hier bauen. Was wohl auch der Stadt, neben einer Schwemme italienischer Mitarbeiter, auch einen bescheidenen Wohlstand gebracht hat. Der Busbahnhof in Kragujevac holte mich allerdings vorschnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Die Gebäude drum herum verfallen, die Schilder am Busbahnhoff verwittert oder rostig und Unkraut bzw. die so genannten Ackerbegleitkräuter;-) überall. Als ich das Gelände verließ und ich mich auf die Suche nach einem Taxt machte, krähte auch noch, wie um das Vorgefundene weiter zu bekräftigen, ein Hahn. Ja, schön soll das Landleben sein. Meins ist es jedenfalls nicht. Herr Dr. Vladimir Polomac schickte mir denn aber gleich eine Sms zu welchem Studentenwohnheim ich fahren sollte, um mich zu registrieren und Quartier zu beziehen. Hervorragend bin ich untergekommen. Das Wohnheim liegt direkt im Zentrum von Kragujevac.DSCF1731DSCF1730 Ich hab ein kleines Zimmer mit WLAN und auch eine eigene Dusche mit Toilette etc. Ansonsten muß ich bisher jeden Morgen schmunzeln, da mein Badezimmer so aussieht, als ob ich die Fliesen selbst verlegt habe. Aber hey, das ergibt einen ganz eigenen und persönlichen Charme. 😉 Zu erwähnen ist natürlich noch, dass die Taxifahrer (der erste hatte mich an der falschen Adresse abgesetzt, der zweite dann aber wohlbehalten vor meinem Studentski dom rausgelassen) mich schon gleich auf die wichtigsten Dinge und Sehenswürdigkeiten aufmerksam gemacht haben. Diese wären:

1. Es gibt mehr Frauen als Männer in der Stadt.

2. Frauen aus der Sumadija sind die Schönsten.

3. Die beste Eisdiele der Stadt ist das Café „Srce“ (Herz).

4. Am Wochenende macht sich die holde Weiblichkeit hübsch zum Ausgehen und Flanieren.

Jaja, den Taxifahrern nach sind das die wichtigsten Dinge, die ich wissen muß. Selbstverständlich habe ich sofort Einspruch erhoben und klargestellt, dass ich nur als fleißiges Arbeitsbienchen hier bin und für derlei Amüsement weder Zeit noch Lust habe.:-) Am Abend traf ich mich dann noch mit Irena und Ivana, denen ich an dieser Stelle nochmal für alles danken möchte. Hvala lepo! Ansonsten wurde ich am darauffolgenden Tag, das war dann letzten Mittwoch, von Marina, ebenfalls Promoventin und hiesige Deutsch- und Literaturdozentin zur Universität geschleppt, wo ich dann mit ihr und Vladimir gleich den Dekan der Fakultät für Philologie und Künste aufgesucht habe. Natürlich dieses offiziellen Besuchs und meiner Funktion als Repräsentant meiner Universität vollends bewusst, und gleichzeitig gewahr, dass ich nicht gleich den Eindruck eines blöden Touris erwecken wollte, hab ich mich natürlich passend in Schale geworfen. Auch wenn es etwas nachteilig ist, bei den hiesigen Temperaturen im Anzug und mit Krawatte rumzulaufen, denke ich, dass ja der erste Eindruck von mir ja auch etwas besser sein sollte. Ich glaube aber, dass dies der Fall war. Denn ich habe einen Haufen „Geschenke“ bekommen: Publikationen der Fakultät für mich und für meine Uni zuhause sowie – die werd ich aber auf jeden Fall nicht in Jena abliefern – Kaffeebecher mit dem Logo der Fakultät. Ah, ich steh auf diesen Merchandise-Kram!!!

Abends war ich dann mit Ivana und ihrem Freund Vlada (Vladimir) zünftig in einer Kafana am örtlichen See essen. Der Šefe dieses Etablisments hat isch auch gleich dazu gesellt, weil er im Anschluss mit Ivana ein paar geschäftliche Sachen besprechen mußte. Sie ist nämlich u.a. Innenarchitektin und er will was umbauen lassen.

Essen gegangen bin ich auch schon mit Irena. Da habe ich nun leider kein Foto von dem Abend.:-P Interessant war aber, dass wir in einem urigen Schuppen direkt neben dem Mahnmal bzw. Museum für die hiesigen Massaker im II. Weltkrieg waren. Zur serbischen Erinnerungskultur würde ich ein eigener Artikel lohnen, wie ich beim Verfassen dieser Zeilen festellen muß…

Ich sage nur „Bon appétit!“

Das Essen war auf jeden Fall gut, und die Lokalität wurde ausgesucht, um mich aufzuziehen. 🙂 Das ist ihr jedenfalls nicht gelungen, da ich ja auch nicht mehr ganz grün hinter den Ohren bin.

Einen Großteil meiner Kolleginnen und Kollegen konnte ich übrigens schon in privater Runde bei ein paar Gläsern Crno Vino kennen lernen. Sie sind alle sehr sehr nett und scheinen sich sehr über meine Hospitation in ihren Kursen zu freuen. Welche Kurse das sind? Vor allem Deutsch als Fremdsprache, inklusive Methodik, Sprachpraxis etc. Ich hingegen werde an diesem und dem kommenden Samstag eine Blockveranstaltung zum Thema „Frankfurter Schule und kritische Theorie“ geben. Dies ist, wie einige von Euch wissen, nicht unbedingt mein privates Steckenpferd, aber Frau Dr. Volić-Hellbusch, die hiesige Lehrstuhlinhaberin und meiner Meinung nach eine richtige Dame, sieht hier besonderen Handlungsbedarf, so dass ich mit größter Freude meiner Arbeit nachgehe, welche wiederum in Anbetracht der Zeit mich zu einigen Nachtschichten zwingt. Aber ich will ja weder mich noch unsere geliebte Friedrich Schiller-Universität zu Jena blamieren. 😉 Meine Studentinnen und Studenten habe ich übrigens auch schon weitestgehend kennen gelernt. Ich werde als Kursteilnehmer vor allem den Abschlussjahrgang des hiesigen vierjährigen(!)Bachelors haben. Es darf aber, abgesehen davon, dass meine Veranstaltung fakultativ ist und natürlich jeder kommen kann, auch der dritte Jahrgang antreten, um meinen warmen Worten zu lauschen. In einer Vertretungsstunde habe ich denn auch sogleich meine Schützlinge auf eine Tasse Turska Kafa eingeladen, zwecks erstmaligem Kennenlernen, Vorstellung und Planung der Inhalte etc, da ich – wie ich sagte- streng nach den Vorstellungen der samoupravlanje (Selbstverwaltung) vorgehen möchte. Was ich ja sehr interessant fand war, dass die hiesigen Germanistikstudenten ein Theaterstück zum Themenbereich „deutsche Kultur- und Geistesgeschichte aufgeführt haben. Ich habe das Stück mit meinem Camcorder aufgenommen, es soll aber eine wesentlich bessere Version auf youtube geben. Wenn ich den Link finde, wird sie auf jeden Fall hier veröffentlicht. So, in Anbetracht der Uhrzeit. Laku noć i lepo spavajte!

Das nächste Mal schreib ich was zu Dimitrije mit seinem „kleinen“ Hundchen,den ich abends vor der Bäckerei traf, als ich einen Burek essen wollteDSCF1740 und über einen schockierenden Zusammenprall zwischen konsum- Warengesellschaft und ganz realer Altersarmut. Und natürlich wie mein Seminar läuft… Zum Abschluss hier noch ein Video der Band Carbon Cartel, welche neulich im Twist aufgetreten ist. Ich fand die Sängerin einfach toll, obwohl sie fast nur Coverversionen gespielt haben.:-)

Erste Worte

Das Plakat hing am Flughafen. Das Bild ist aber aus dem Internet. Leider ist der kyrillische Schriftzug nicht zusehen. Dennoch: Ein Schelm der Böses dabei denkt.

Das Plakat hing am Flughafen. Das Bild ist aber aus dem Internet. Leider ist der kyrillische Schriftzug nicht zusehen. Dennoch: Ein Schelm der Böses dabei denkt.

Nach einer ereignislosen und daher wohl als gut zu bewertenden Anreise bin ich vorgestern wohlbehalten in Belgrad angekommen. Mein Freund und Kum Djordje hat mich gleich am Nikola Tesla-Flughafen aufgelesen und zu sich nach Hause gebracht. Schön war es, auch seine Frau Danijela wiederzusehen, von welcher ich schon bei meinem letzten Aufenthalt in Belgrad im September erfahren hatte, dass die beiden Eltern werden. Und da war sie nun, der Stolz der jungen Familie, die kleine Dora. Man sagt ja, dass Neugeborene ihre Eltern besonders auf Trab halten und auch in diesem Falle ist Dora keine Ausnahme. Wobei ich ja gestehen muss, dass ich als Nicht- oder Noch-Nicht-Vater mir das Kindergeschrei schlimmer vorgestellt habe. Es erinnert mich mehr an einen Wehgesang, wenn sie Hunger hat, schlafen möchte oder ihr sonst grad irgendetwas nicht passt. Und trotz der Liebe und absoluten Fürsorglichkeit der frisch gebackenen Eltern passt ihr anscheinend zur Zeit wohl eine Menge nicht.

Nach dem obligaten Kaffee und Kuchen verbrachte ich anschließend den Rest des Tages mit meinem Kumpan und seiner Frau beim Austausch von Neuigkeiten. Natürlich ging es vor allem ums Private. Aber natürlich kamen auch unweigerlich die Themen Wirtschaft, Krise und Politik in unterschiedlicher Kombination immer wieder zur Sprache. Das ist wohl weniger mir geschuldet, als dass es auch einfach die wichtigsten Themen sind, die natürlich zwangsläufig immer wieder und gerade hier in Serbien einen Einfluss auf die private Lebenswelt haben. Ich bezweifle aber sehr, dass dies bei näherer Betrachtung in irgendeiner Art und Weise anders ist als bei uns, wenn man von der Qualität und Intensität der Bedeutung dieser Themen in Serbien einmal absieht. Das kann man wohl als den Determinismus der privaten Lebenswelt bezeichnen, egal wo man sich auf unserem Erdenball gerade rumtreibt. Bei dem Wort „Krise“ in Bezug auf das, was gerade in der Eurozone passiert, reagieren die Leute hier, wie jeder, der schon einmal in der Region war, mit einem Achselzucken. „Krise? Wir haben seit 30 Jahren nur Krise.“ Nun ja, wenn ich es überlege, wir haben sie nun seit immerhin bald 5 Jahren. Da wird die Krise zum Zustand.

Ab und an mussten nur entweder Danijela oder Djordje kurz aufstehen, wenn Dora wieder unruhig wurde und etwas Zuneigung und Aufmerksamkeit brauchte.

Dennoch schlief ich in der einen Nacht, die ich in Belgrad verbracht habe, ganz ausgezeichnet. Vielleicht lag es daran, dass ich nach meiner Anreise einfach nur müde und erschöpft war, vielleicht lag es an der Hausmarke des selbstgebrannten Rakijas, die mich tief ins Land der balkanischen Träume sinken ließ oder vielleicht, und das ist wohl das Wahrscheinlichste, stimmte die kleine Dora kein Wehklagen oder Leidgesänge in der Nacht an.

Da fällt mir ein, dass ich an dieser Stelle kurz erwähnen möchte, dass auch ohne Gendermainstreaming und den dazugehörigen „Trouble“ beide ein tolles Paar abgeben, nicht nur als Liebespaar, sondern auch als Eltern. Und wie sie sich gegenseitig unterstützen, lässt mich auch ganz warm ums Herz werden.

Wir Ihr seht, stimmt das Datum meines Eintrages nicht ganz mit dem Inhalt überein. Das ist aber eine stilistische Frage, die mir vielleicht erfahrenere Blogger beantworten können. Da ich erst einmal eine feste Bleibe finden und natürlich auch etwas erleben mußte, kann ich natürlich erst zeitverzögert etwas schreiben.

Bei Anmerkungen und Verbesserungsvorschlägen, fragen Sie einfach Ihren Arzt oder Apotheker.

http://www.youtube.com/watch?v=96q5IxqNSqc&feature=player_embedded

 

Der nächste Eintrag wird jedenfalls eine Zusammenfassung meiner Ankunft und meines ersten Tages in Kragujevac enthalten. Ich möchte auf jeden Fall schon einmal sagen, dass ich bisher hier ganz hervorragend angekommen bin.