Warme Worte

Also, ein paar kurze Sätze zu meiner Ankunft in Kragujevac: Nach einem ausgiebigen Mittagessen mit Djordjes Schwiegereltern und einem überaus amüsanten Gespräch mit seinem Schwiegervater über Investment-Möglichkeiten und die richtigen Frauen zu Heiraten begab ich mich denn zum Belgrader Busbahnhof. Das Zugverkehrsnetz Serbiens ist immer noch in einem maroden Zustand, was wohl nicht nur unmittelbar den Kriegen, sondern vor allem fehlenden Investitionen geschuldet ist. Daher läuft der Personenfernverkehr hauptsächlich, wie auch in den Nachbarländern, mittels Reisebussen ab. Die sind im Übrigen auch recht preiswert auch für den hiesigen Standard, so dass ich für meine zweistündige Fahrt nach Kragujevac über den Autoput lediglich knapp vier Euro berappen mußte. Auf dem Weg in die Stadt fuhren wir an einem gut 5m großen orthodoxen Kreuz aus Gußbeton, gefolgt von einem noch größeren Fiat-Emblem in der Mitte eines Kreisverkehrs vorbei. „So weht hier also der Wind“, war mein erster Gedanke. Schön fromm und arbeitsam zu Fiat in die Montagehalle… Zur Erläuterung muß ich an dieser Stelle erwähnen, dass die früheren Zastava-Werke in Kragujevac die berühmten jugoslawischen Autos Yugo Koral und Zastava 750(den Fića) in Lizenz mit Fiat zusammen gebaut haben. Früher arbeiteten bis zu 50.000 Menschen in den Fabriken, heute sind noch 3000 übrig geblieben und Fiat hat irgendwann vor ein paar Jahren die Firma aufgekauft und lässt jetzt eigene Autos hier bauen. Was wohl auch der Stadt, neben einer Schwemme italienischer Mitarbeiter, auch einen bescheidenen Wohlstand gebracht hat. Der Busbahnhof in Kragujevac holte mich allerdings vorschnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Die Gebäude drum herum verfallen, die Schilder am Busbahnhoff verwittert oder rostig und Unkraut bzw. die so genannten Ackerbegleitkräuter;-) überall. Als ich das Gelände verließ und ich mich auf die Suche nach einem Taxt machte, krähte auch noch, wie um das Vorgefundene weiter zu bekräftigen, ein Hahn. Ja, schön soll das Landleben sein. Meins ist es jedenfalls nicht. Herr Dr. Vladimir Polomac schickte mir denn aber gleich eine Sms zu welchem Studentenwohnheim ich fahren sollte, um mich zu registrieren und Quartier zu beziehen. Hervorragend bin ich untergekommen. Das Wohnheim liegt direkt im Zentrum von Kragujevac.DSCF1731DSCF1730 Ich hab ein kleines Zimmer mit WLAN und auch eine eigene Dusche mit Toilette etc. Ansonsten muß ich bisher jeden Morgen schmunzeln, da mein Badezimmer so aussieht, als ob ich die Fliesen selbst verlegt habe. Aber hey, das ergibt einen ganz eigenen und persönlichen Charme. 😉 Zu erwähnen ist natürlich noch, dass die Taxifahrer (der erste hatte mich an der falschen Adresse abgesetzt, der zweite dann aber wohlbehalten vor meinem Studentski dom rausgelassen) mich schon gleich auf die wichtigsten Dinge und Sehenswürdigkeiten aufmerksam gemacht haben. Diese wären:

1. Es gibt mehr Frauen als Männer in der Stadt.

2. Frauen aus der Sumadija sind die Schönsten.

3. Die beste Eisdiele der Stadt ist das Café „Srce“ (Herz).

4. Am Wochenende macht sich die holde Weiblichkeit hübsch zum Ausgehen und Flanieren.

Jaja, den Taxifahrern nach sind das die wichtigsten Dinge, die ich wissen muß. Selbstverständlich habe ich sofort Einspruch erhoben und klargestellt, dass ich nur als fleißiges Arbeitsbienchen hier bin und für derlei Amüsement weder Zeit noch Lust habe.:-) Am Abend traf ich mich dann noch mit Irena und Ivana, denen ich an dieser Stelle nochmal für alles danken möchte. Hvala lepo! Ansonsten wurde ich am darauffolgenden Tag, das war dann letzten Mittwoch, von Marina, ebenfalls Promoventin und hiesige Deutsch- und Literaturdozentin zur Universität geschleppt, wo ich dann mit ihr und Vladimir gleich den Dekan der Fakultät für Philologie und Künste aufgesucht habe. Natürlich dieses offiziellen Besuchs und meiner Funktion als Repräsentant meiner Universität vollends bewusst, und gleichzeitig gewahr, dass ich nicht gleich den Eindruck eines blöden Touris erwecken wollte, hab ich mich natürlich passend in Schale geworfen. Auch wenn es etwas nachteilig ist, bei den hiesigen Temperaturen im Anzug und mit Krawatte rumzulaufen, denke ich, dass ja der erste Eindruck von mir ja auch etwas besser sein sollte. Ich glaube aber, dass dies der Fall war. Denn ich habe einen Haufen „Geschenke“ bekommen: Publikationen der Fakultät für mich und für meine Uni zuhause sowie – die werd ich aber auf jeden Fall nicht in Jena abliefern – Kaffeebecher mit dem Logo der Fakultät. Ah, ich steh auf diesen Merchandise-Kram!!!

Abends war ich dann mit Ivana und ihrem Freund Vlada (Vladimir) zünftig in einer Kafana am örtlichen See essen. Der Šefe dieses Etablisments hat isch auch gleich dazu gesellt, weil er im Anschluss mit Ivana ein paar geschäftliche Sachen besprechen mußte. Sie ist nämlich u.a. Innenarchitektin und er will was umbauen lassen.

Essen gegangen bin ich auch schon mit Irena. Da habe ich nun leider kein Foto von dem Abend.:-P Interessant war aber, dass wir in einem urigen Schuppen direkt neben dem Mahnmal bzw. Museum für die hiesigen Massaker im II. Weltkrieg waren. Zur serbischen Erinnerungskultur würde ich ein eigener Artikel lohnen, wie ich beim Verfassen dieser Zeilen festellen muß…

Ich sage nur „Bon appétit!“

Das Essen war auf jeden Fall gut, und die Lokalität wurde ausgesucht, um mich aufzuziehen. 🙂 Das ist ihr jedenfalls nicht gelungen, da ich ja auch nicht mehr ganz grün hinter den Ohren bin.

Einen Großteil meiner Kolleginnen und Kollegen konnte ich übrigens schon in privater Runde bei ein paar Gläsern Crno Vino kennen lernen. Sie sind alle sehr sehr nett und scheinen sich sehr über meine Hospitation in ihren Kursen zu freuen. Welche Kurse das sind? Vor allem Deutsch als Fremdsprache, inklusive Methodik, Sprachpraxis etc. Ich hingegen werde an diesem und dem kommenden Samstag eine Blockveranstaltung zum Thema „Frankfurter Schule und kritische Theorie“ geben. Dies ist, wie einige von Euch wissen, nicht unbedingt mein privates Steckenpferd, aber Frau Dr. Volić-Hellbusch, die hiesige Lehrstuhlinhaberin und meiner Meinung nach eine richtige Dame, sieht hier besonderen Handlungsbedarf, so dass ich mit größter Freude meiner Arbeit nachgehe, welche wiederum in Anbetracht der Zeit mich zu einigen Nachtschichten zwingt. Aber ich will ja weder mich noch unsere geliebte Friedrich Schiller-Universität zu Jena blamieren. 😉 Meine Studentinnen und Studenten habe ich übrigens auch schon weitestgehend kennen gelernt. Ich werde als Kursteilnehmer vor allem den Abschlussjahrgang des hiesigen vierjährigen(!)Bachelors haben. Es darf aber, abgesehen davon, dass meine Veranstaltung fakultativ ist und natürlich jeder kommen kann, auch der dritte Jahrgang antreten, um meinen warmen Worten zu lauschen. In einer Vertretungsstunde habe ich denn auch sogleich meine Schützlinge auf eine Tasse Turska Kafa eingeladen, zwecks erstmaligem Kennenlernen, Vorstellung und Planung der Inhalte etc, da ich – wie ich sagte- streng nach den Vorstellungen der samoupravlanje (Selbstverwaltung) vorgehen möchte. Was ich ja sehr interessant fand war, dass die hiesigen Germanistikstudenten ein Theaterstück zum Themenbereich „deutsche Kultur- und Geistesgeschichte aufgeführt haben. Ich habe das Stück mit meinem Camcorder aufgenommen, es soll aber eine wesentlich bessere Version auf youtube geben. Wenn ich den Link finde, wird sie auf jeden Fall hier veröffentlicht. So, in Anbetracht der Uhrzeit. Laku noć i lepo spavajte!

Das nächste Mal schreib ich was zu Dimitrije mit seinem „kleinen“ Hundchen,den ich abends vor der Bäckerei traf, als ich einen Burek essen wollteDSCF1740 und über einen schockierenden Zusammenprall zwischen konsum- Warengesellschaft und ganz realer Altersarmut. Und natürlich wie mein Seminar läuft… Zum Abschluss hier noch ein Video der Band Carbon Cartel, welche neulich im Twist aufgetreten ist. Ich fand die Sängerin einfach toll, obwohl sie fast nur Coverversionen gespielt haben.:-)

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