Seit gut drei Wochen bin ich nun schon hier in Kragujevac und meine positiven Erwartungen sind bisher – so hat es den Anschein – sogar noch übertroffen worden. Die Deutschkurse machen mir ausgesprochen viel Spaß und ich hoffe, dass sich auch weiterhin meine eigene Motivation auf meine Studentinnen und Studenten überträgt.
Von selbigen habe ich bisher ebenfalls einen durchweg positiven Eindruck. Sie sind fast alle sehr motiviert, und selbst, wenn der ein oder andere verkündet hat, dass er Deutsch nur studiert, weil er sonst nix mit seinem Leben anzufangen wusste (inklusive der überrachenden Aussage von einer jungen Dame, dass sie Deutsch nur lernt, weil sie heiraten will – meine Empfehlung belief sich da aber auf den Besuch der Jura-Veranstaltungen), machen sie brav ihre Übungen und Hausarbeiten. Dabei muß ich anmerken, dass ich ja keine Noten vergebe und bei mir lediglich Anwesenheitspflicht besteht. Das Leistungsdruckmittel hält sich also folglich in doch recht engen Grenzen. Was die Qualifikationen betrifft, muß ich sagen, dass fast alle überaus bemerkenswertes Deutsch sprechen, unabhängig von dem jeweiligen Jahrgang, aber dass es natürlich Probleme bei Schrift und Textverständnis gibt. Die positiveren Seiten der globalen TV- und Internet-Generation lassen grüßen.
Meine Kolleginnen und Kollegen kannte ich ja weitestgehend schon alle von meinen letzten Besuchen in Kragujevac und ich freute mich, sie alle wiederzusehen. Ich kann nur sagen, ich fühle mich sehr wohl mit ihnen und habe auch den Eindruck, dass sie alle überaus engagiert sind. Ein Sachverhalt, der bei den hiesigen Gehältern nicht unbedingt als Selbstverständlichkeit gesehen werden sollte und wahrscheinlich bei dem ein oder anderen geneigten Leser (bitte als genderkorrekt lesen) enormes Kopfschütteln hervorrufen würde.
Achja, ansonsten wohne ich zurzeit wieder in meinem Wohnheim, dass ich schon von letztem Male kenne. Nett, und gegenwärtig absolut ausreichend.
An dieser Stelle auch noch eine kurze, aber sehr nette Geschichte vom letzten Wochenende. Am letztenFreitag besuchte ich meinen Freund Bogdan in Čačak. In Graz war er mir einer meiner liebsten Kollegen und ich freute mich seinerzeit überaus, als er mich zu sich nach Hause einlud.
Also packte ich am letzten fünften Tage der Woche Hut, Stock und Gesangbuch, um mich zusätzlich mit einer Schachtel Pralinen ausgestattet auf den Weg zu seinem Domizil aufzumachen.Čačak ist etwa 60km von Kragujevac entfernt, so dass die Busfahrt, nach anfänglichen Startschwierigkeiten aufgrund eines Streiks an der hiesigen Busstation und der Suche nach einem passenden Ersatzgefährt, eine gute Stunde dauerte. Dort angekommen wirkte mein Freund äußerst irritiert, da ich doch nur zum Kaffee bleiben wollte. Eingeplant hatte man mich bis Sonntag. Nach steten Verhandlungen wurde mir dann gewährt, meinen Aufenthalt in Vollpension quasi vorzeitig am Samstagnachmittag zu beenden.
Zuhause lernte ich dann seine Frau Bojana, seine Kinder sowie seinen Vater kennen. Gefolgt ward dies dann mit dem hier üblichen Vollstopfen des Gastes mit kulinarischen Köstlichkeiten. Ein Angebot, das ich zwar stets leicht verlegen, aber immer dankbar annehme. Auch schenkte mir mein Gastgeber noch einen von ihm geschriebenen und veröffentlichten Roman, welchen ich zur Verbesserung meiner Sprachkenntnisse nutzen werde.
Auch wurde mir die Ehre zuteil, anschließend mit seinen Kindern zu spielen. Dann fuhren wir in die Stadt, kauften Bier da wir von seiner Frau zum Babysitten eingeteilt worden waren und er zeigte mir seinen neu erworbenes sich grad im Renovierungszustand befindende Eigenheim bzw. wie ich es nannte, seine Winterresidenz. Jaja, der Serbe an und für sich bezieht im Winter das Apartment in der Stadt, während man die Sommer- und Frühlingsfrische gerne mehr im Grünen verlebt. Großbürgerlich, sehr großbürgerlich (und mit einem Zwinkern versehen).
Am Samstag wurde mir zudem eine besondere Ehre zuteil. Und zwar durfte ich mit seinem Vater, seinem Sohne und seiner Tante zum örtlichen Friedhof fahren, da hier der orthodoxe Feiertag des Zadušnice begangen wurde.
Als nicht sonderlich frommer Kirchgänger möge mir der geneigte Leser und noch mehr die geneigte Leserin verzeihen, wenn ich den meines heidnischen Wissens sich aufdrängenden Vergleich mit Allerseelen und/oder Totensonntag herbeizitiere. Jedenfalls war der Friedhof voller Leute, die ihre verstorbenen Angehörigen besuchten, die Gräber pflegten und dort aßen. Ja, richtig gelesen, der Verzehr frisch zubereiteter Speisen ist ein von alters her bestehender Brauch hier an diesem Tage. Die Welten zwischen den Toten und den Lebenden sind an Tagen wie diesem besonders nahe beieinander und daher gebietet es sich, die verstorbenen Verwandten zu einem Gläschen einzuladen. Ebenso gehört der Konsum von koffeinhaltigen oder auch hochprozentigen Getränken fest dazu. Ich selbst kannte diese Tradition nur von meinem Freund Đorđe aus Erzählungen, obwohl er mich doch auch das ein oder andere Mal ermahnte, am Grab seiner Mutter auch eine Zigarette mehr anzuzünden, da die Verstorbene passionierte Zigarettenraucherin war. Die hiesige Pita zu essen und auch ein Gläschen Rakija zutrinken, war allerdings für mich auch eine neue Erfahrung. Sagen möchte ich an dieser Stelle aber noch einmal, dass ich mich wirklich geehrt fühlte, mitgenommen worden zu sein zu dieser doch sehr persönlichen und meiner Meinung nach auch intimen Familienaktivität. Diese kleine Begebenheit mögen manche vielleicht als heidnisches Relikt abtun, ich kann aber doch sagen, dass ich es überaus rührend fand, nicht zuletzt weil es auf dem Friedhof trotz der vielen Besucher sehr besinnlich zuging und ich auch Gelegenheit fand, meiner verstorbenen Familienangehörigen zugedenken. Die Pita war im Übrigen auch überaus lecker, daher an dieser Stelle auch noch meine Empfehlung an die gute Hausfrau. 😉
Am Nachmittag zeigte mir Bogdan dann noch ein bisschen was vom Stadtzentrum von Čačak, bevor ich wieder gen Kragujevac entschwand.
Am Sonntag lernte ich dann auch noch eine Freundin meines guten Freundes und Genossen, des großen Dr. Ivan Majić, hier in Kragujevac kennen. Die überaus sympathische Liljana, ihres Zeichens Dozentin für Serbisch, hatte hoffentlich einen ebenso positiven Eindruck von mir, wie ich von ihr und ich hoffe doch, dass wir in Kontakt bleiben werden. Am Abend korrigierte ich dann noch die Deutsch-Hausaufgaben von Anđelka. Sie und ihr Freund Petar sind mir sehr nahestehende Freunde und waren letztes Jahr bei meinem zweiten Besuch in der Šumadija meine Gastgeber. Da sie damals Deutsch lernte und ich jetzt immer das ein oder andere Übungsblatt übrig habe, helfe ich ihr, meiner lieben Freundin Ivana und vielleicht noch Petars Bruder Lazar quasi ein bisschen im Training zu bleiben.
Ansonsten gibt es grad nicht viel Neues. Leider fesselte mich gestern und heute eine Erkältung ans Krankenlager.