Liebe Freundinnen und Freunde,
nach längerer Abstinenz melde ich mich wieder zurück. Viele Worte will ich ja gar nicht darüber verschwenden, warum ich seit einiger Zeit keine Einträge mehr hier verfasst habe. Aber in bisschen was erzählen, will ich ja schon. Die Gründe sind vor allem in meinem Arbeitspensum zu suchen. Dieses hatte sich in den letzten Wochen doch ganz enorm erhöht. Ich wünschte nur, dass es auch gleichzeitig so produktiv wie zeitaufwendig gewesen wäre.
Nehmen wir doch beispielsweise den vergangenen Dienstag. Geplant waren zwei Interviews mit den Vertretern (und Namen tun natürlich in einem Blog nix zur Sache) der Verwaltungen in Nord- und Süd-Mitrovica um 13 bzw. 14.30 Uhr, was natürlich schon knapp veranschlagt war, aber leider aufgrund ihrer Termine nicht anders ging. Also bin ich morgens gegen 10 Uhr von Prishtina losgefahren, um pünktlich wie die Schweizer in der serbischen Verwaltung auf der nördlichen Seite der berühmten Brücke vorstellig zu werden. Dann hieß es natürlich erst mal bei der Sekretärin warten. Ein kurzer Schwatz, ein Lob bezüglich meiner Serbisch-Kenntnisse – da werd ich ja immer ganz verlegen, ich kann doch nix -, ein- zwei Worte des Bedauerns meinerseits, weil ihr Fax-Gerät aufgrund eines Stromausfalls gerade ausgefallen war, und schon stand ich bei meinem Interviewpartner im Büro. Gut und schön. Dieser begrüßte mich auch schon mit den Worten, dass er jetzt fünf(!) Minuten Zeit für mich hätte. Fünf Minuten für 16 Fragen?! Nicht machbar. Selbstredend war es nicht so, dass ich ihm nicht schon bei meinem letzten Besuch in Mitrovica erklärt hatte, dass ich eine Stunde bräuchte. Da ich wohl überaus enttäuscht drein guckte, führte er mich vor einen Stapel aus drei oder vier Aktenordnern und erklärte aus dem Brustton der verzweifelten Überzeugung, dass er diese heute noch unbedingt durcharbeiten müsste. Letztendlich wurde der Termin jetzt auf Freitag, 14 Uhr, verschoben. Man sei gespannt…
Dann bin ich zu seinem Vorgesetzten gegangen, um zu fragen, ob der nicht zufällig Lust und Zeit hätte. Und anderthalb Stunden auf der Straße warten, bis ich im Süden vorstellig werden konnte, wollte auch nicht. Also wurde ich von der Belegschaft auf einen Smalltalk mit Rakija, Turska Kafa und Kippchen eingeladen. Die Belegschaft – und ich bin mir gar nicht sicher, wer da überhaupt beschäftigt war oder nur so zum Zeitvertreib rumhing – bestand aus einem relativ jungen Advokaten (meiner Meinung nach, der einzig nüchterne und wirklich arbeitende Mensch in dem Raum) und zwei, später drei älteren Herren, die ordentlich pafften und mir eine fast leere Flasche Rakija präsentierten. Man füllte tüchtig die Gläser und entschuldigte sich bei mir, dass die Geheimbar des Büros fast trocken wäre: Ich möge doch bitte am Wochenende wiederkommen. Dann gäbe es von allem wieder reichlichst. Eine Sekretärin brachte Kaffee und dann durfte ich lang und breit erkläre, was ich denn will, wo ich her komme, ob ich zu den verdammten ausländischen BESATZERN gehöre (der genaue Wortlaut lautete in gelallter Form „Fxxkin’ bloody okupacija“). Nein, nein, studiert habe man in Belgrad und Okupacija und Agresija findet man ja auch überhaupt nicht toll. Das dann auch noch überaus holprigst in der Landessprache vorgetragen, steigerte meine Beliebtheit ins Unermessliche.
Nur hatte ich bis dahin noch nicht erfahren, was denn nun mit dem Chef war. Also Zigarette hier, Schulterklopfen da, Kaffee geschlürft, Rakija gegurgelt und eine dreiviertel Stunde später, entschwand endlich einer der Herren mit meinem kopierten Fragebogen, um mir dann zu erklären, dass Šefe die Woche über nicht da ist, ich aber gerne nächste Woche wieder kommen könnte. Dann bin ich aber leider schon aus dem schönen und sonnigen Kosovo entschwunden.
Ich bedankte mich, ergriff Hut, Mantel und Gesangbuch und ließ mir noch kurz erklären, wo denn hier die örtliche Pošta ist. Der Hintergrund war nämlich der, dass ich einer Bibliothekarin in Serbien doch versprochen hatte, eine Karte zu schicken und da ich der kosovarischen Post nicht so ganz über den Weg traue, insbesondere was den Postweg Kosovo-Serbien betrifft, wollte ich die Karte im Norden abgeben. Das Porto kostete auch nur 20 Dinar, weil man ja in Serbien sei, wie mir die werthe Frau Postbeamtin versicherte. Noch fix eine Pljeskavica eingeworfen, da ich bis dahin nichts gegessen hatte und sich dementsprechend auch schon der eine Rakija bemerkbar machte, marschierte ich dann kauend wieder über die Brücke gen Süden.
Bei der dortigen Behörde (inzwischen war es 14.20Uhr MEZ) wurde ich auch gleich durchgelassen. Leider kam mir mein dortiger Interviewpartner schon auf dem Gang entgegen, entschuldigte sich höflichst bei mir und erklärte, er hätte ganz vergessen, dass er jetzt ein ganz, ganz wichtiges Treffen mit jemandem vom ICO hätte. Der Alternativtermin wurde auch gleich gehender Weise vereinbart: Freitag 12 Uhr. Das ging halt nicht anders wegen seinem Kollegen im Norden. Und das der Mann um seine Mittagspause fürchtete, war mir dann auch relativ schnuppe.
Um 15 Uhr gab’s noch ein kurzes Kaffeetrinken und Gespräch bezüglich potentieller Beschäftigungsmöglichkeiten mit meinem Interviewpartner von letzter Woche in Mitrovica, welcher bei irgendeiner größeren internationalen NGO arbeitet, deren Name mit O anfängt und mit ZE aufhört. Nett war es. Dann eilte ich per Taxi zum Busbahnhof, weil ich um 19 Uhr nämlich noch ein Treffen im Grand Hotel in Prishtina hatte und die Uhr schon bedrohliche 16 Uhr anzeigte. Aufgrund glücklicher Umstände erwachte ich auch rechtzeitig aus einem traumlosen Schlaf, als der Bus zwischen Bill Clinton Boulevard und Busbahnhof in Prishtina anhielt. Da war es dann auch schon 18 Uhr. Zu Fuß war es dann nur ein recht kurzer Weg zum Grand Hotel. Leider bekam ich auf halbem Weg eine SMS, dass mein Treffen aus organisatorischen Gründen auf 19.45 Uh verschoben worden war. Jaja, natürlich macht das gar nix.
Besagtes Treffen hatte akademische Themen zum Inhalt mit denen ich die geneigte Leserin/ den geneigten Leser hier auch gar nicht länger belästigen möchte. Aber gut war´s und ich blickte danach auch etwas rosiger und gelassener in meine eigene berufliche Zukunft auf dem Balkan. Mein rosiger Gesichtsausdruck war aber sicherlich auch teilweise dem Umstand geschuldet, dass es natürlich mal wieder einen Rakija bzw. Raki gab.
Wir verabschiedeten uns um 21.15 Uhr und dann eilte ich zum guten Daut, weil nämlich noch anderthalb Stunden Albanisch auf dem Tagesprogramm standen. Schnell noch eine Zigarette geraucht und von 21.30 bis 23Uhr mit Müh und Not eine Lektion aus einem Albanisch-Buch gelernt und dann war ich so aufgedreht von dem ganzen Tag, dass ich mich mit Freude noch wohligen albanischen Klängen von seinem Computer hingab.
Zuhause war ich schlussendlich um 12 Uhr.
Und so gestaltet sich hier fast jeder Tag. Ich denke, ich hätte doppelt so viele, vielleicht sogar viermal so viele Interviews halten können, wenn meine Interviewpartner nur ein bisschen mehr ihre Termine überblicken könnten. Das nervt insbesondere, wenn man extra in eine andere Stadt fährt und auch der Rakija mit den Angestellten kann einen da nur äußerst mäßig tröstet. Jeder Gang muss dreimal gemacht werden. Aber so läuft es auch in den Bibliotheken der Universität ab. Heute wollte ich doch glatt ein paar Bücher ausleihen aus dem Human Rights Center der juristischen Fakultät. Da war aber leider abgeschlossen. Den halben Tag. Ich bin leider nur zweimal dort aufgekreuzt, in Begleitung meiner beiden Freunde Antonio und Daut. Aber vom Dekan der Fakultät(!) bis zur Studierendenschaft konnte man (und frau auch) nicht sagen, wann die Kollegen denn da sind. Eigentlich sollte ja jemand da sein. Tja, eigentlich…
Ansonsten war ich auch mal ein paar Tage krank (meine Empfehlung an potentielle Kosovo-Touristen: Fisch bzw. Frutti die Mare auf der Pizza und/oder Nudelgerichten ist gut und lecker und im Großen und Ganzen überall genießbar, nur bitte nicht im Grand Hotel) und hatte ein Nebenprojekt hier zu erledigen.
Aber anbei noch ein paar schöne Fotos von meinen persönlichen Eindrücken: