Graz reloaded

Oh, ich vergaß! Während meines letzten Österreich-Aufenthaltes, geschah es doch recht häufig, dass ich irritiert oder zumindest verwundert auf den Grazer Straßen inne hielt, ob mancher Sonderbarkeit, um sie anschließend notgedrungen mit meinem Smartphone festzuhalten (die Formulierung „auf Zelluloid bannen“ ist ja im 21.Jahrhundert fast obsolet geworden und wird wohl im 22. gänzlich verschwunden sein).

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Kinder, wie die Zeit vergeht…

Wie ich feststelle, habe ich meinen Blog zum wiederholten Male sträflichst vernachlässigt. Dies ist nicht nur einer Schreibfaulheit in Bezug auf mein Dasein geschuldet, sondern auch der Tatsache, dass so viel Neues nicht passiert ist. Mein Alltag hier in Graz hat sich eingependelt zwischen Büro und Unterkunft, und so ziehen die Tage ins Land. Die letzten Tage/Wochen hatte ich mich inhaltlich etwas an den Balkankriegen 1912/13 festgebissen, aber mehr will ich hier auf meinem Blog auch schon nicht über meine Diss. verraten. Mensch soll ja animiert bleiben, bei Veröffentlichung für teures oder besser teuerstes Geld meine Arbeit zu kaufen. 😉

Anfang November war ich für ein paar Tage in Deutschland, um mal kurz nach dem Rechten und nach meiner Post zuschauen.DSCF2184 Als ich wieder in Graz auftauchte, was war da passiert? Ich hatte eine Einquartierung! Da wir eine neue Mitbewohnerin bekommen sollten, hatte ich in meiner unendlichen Großzügigkeit angeboten, aufgrund zeitlicher Überschneidungen mit dem Auszug einer anderen Mitbewohnerin mein Zimmer für die Zeit meiner Abwesenheit zur Verfügung zu stellen. Daraus ergab sich aber ein doch recht irritierendes Missverständnis. Ich kam zurück und, schwupps, wurde mir mitgeteilt, dass die Neue noch eine gute Woche in meinem Zimmer verbleiben sollte, da ich ja ein Doppelbett in Beschlag genommen hatte. Wird da jetzt schmunzelt und den ein oder anderen schmutzigen Gedanken hegt, sei beruhigt. Als Mann von Ehre legte ich keinerlei Intention an den Tag. Auch hatte die Gute auch einen „Boyfriend“.

Inzwischen besitze ich aber ein neues und meiner Meinung nach auch besser für mich geeignetes Zimmer und die Neue ist wieder ausgezogen, da sie anderweitig einen Job außerhalb von Graz gefunden hat.

Ansonsten war ich inzwischen auch mit der Präsentation meines Forschungsvorhabens (dieses Wort finde ich entzückend und erschreckend zugleich) auch recht erfolgreich. Man war doch voll des Lobes ob meiner Überlegungen. Und die anschließende Diskussion mit einigen anderen Doktoranten, die auch aus der üblichen Region kommen, zog sich sogar noch bis in den späten Nachmittag und sowohl in ein Kaffeehaus als auch ein China-Restaurant hin. 1381454_731706370178921_1621384179_n1381717_738179859531572_349974416_n1391896_738179866198238_879326729_n

An dieser Stelle möchte ich auch gleich noch einmal Herrn Prof. Florian Bieber für die Möglichkeit danken, dass ich als Fellow nach Graz kommen konnte. 🙂

So, das reicht jetzt aber für heute mit Text und Fotos.

Es grüßet aus einem Grazer Kaffeehaus

Graz

Nach einer mir endlos scheinenden Zugfahrt, in der ich Zeit hatte, gedanklich im Fluss des Lebens zu baden, erreichte ich Graz. Graz – die Stadt in der ich also die nächsten drei Monate meines kleinen Lebens zubringen und mich in der hohen Kunst der vergeistigten Wissenschaften erproben sollte.

Mit dem Taxi ging es denn auch gleich vom Hauptbahnhof zu meinem Domizil, ein kleines Haus am Rande des Stadtkerns, in welchem ich nun also Quartier beziehen sollte.

Der Hausherr, seines Zeichens nach ebenfalls nur Mieter, empfing mich bereits in freudiger Erwartung zu solch nächtlicher Stund am Eingangstor.

Wie ich bereits durch meine Emailkorrespondenz erfahren hatte, ward jedes Zimmer in unserer aller Unterkunft belegt. Einige Arbeiter aus Slowenien (drei bzw. vier an der Zahl), ein Student aus Kosovo, den ich bis zum heutigen Tag allerdings nicht gesehen habe, eine Studentin aus Deutschland, die hier ein Praktikum macht und schließlich ein armenischer Arzt, der die zweifelhafte Ehre hat, in Graz anderthalb Monate gratis im Krankenhaus zu arbeiten, um dann hoffentlich, vielleicht und mit etwas Glück später einmal eine Festanstellung zu bekommen. Übrigens sind meine Vorstellungen von Slowenien als ex-jugoslawischem Musterland durch die ein oder andere Geschichte in Bezug auf Löhne, Lebenshaltungskosten, Arbeitslosigkeit etc. nachhaltig erschüttert worden. Die europaweite Krise hat dort wohl tiefe, nach Aussagen meiner Mitbewohner sehr tiefe, Einschnitte gefordert. Man tröstet sich mit Jugo-Nostalgie…DSCF2208

Mein Arbeitsplatz, den ich natürlich gleich am ersten Tag aufsuchte, ist weiterhin im Zentrum von Graz gelegen. Ein kleines, aber feines Institut nicht weit entfernt vom Uni-Campus, ausgestattet mit Computern und Literatur,  zu welchem ich nun den Schlüssel besitze.Die Kolleginnen und Kollegen stammen aus Serbien und Albanien und sind bisher auch alle ganz nett.

So, da mein Akku zur Neige geht, beende ich jetzt meine Eintragungen hier und hoffe, Spannung und Interesse fürs nächste Mal aufgebaut zu haben. Dann gibt’s auch ein paar bildliche Impressionen…

Be silent and drive!

So oder so ähnlich würde ich meine Anreise betiteln. Was war geschehen? Im Grunde recht simpel: Bei meiner Abreise letztes Mal hatte ich meinen Freunden versprochen im August wiederzukommen. Und um den Flair des Neuen etwas zu konservieren und zeitgleich auch mal etwas unkonventionelleres auszuprobieren, setzte ich mich vergangene Woche Dienstag in Jena ins Auto, atmete tief durch und trat aufs Gaspedal mit Destination Belgrad.

Die Reise verlief über Tschechien, die Slowakei und Ungarn. Wenngleich ich fast nonstop fuhr, abgesehen von drei kleineren Pausen um zu tanken und ein Sandwich zu essen, dauerte es alles in allem fast 16 Stunden bis ich um 3 Uhr nachts (!)bei meinem Kum Djordje klingeln konnte. Diese exorbitante Fahrtdauer ergab sich aber auch daraus, dass ich mich am ungarsich-serbischen Grenzübergang nahe Kelebija kräftig verfuhr, im tiefsten Wald landete und in stockfinsterster Nacht beinahe auf einem unbefestigten Waldweg liegenblieb. Die beiden ungarischen Zöllner überprüften im Anschluss mehrfach, ob es sich denn auch um mein eigenes Fahrzeug handelte – im Gegensatz zu den serbischen, die mich lediglich fragten, ob ich was zu verzollen hätte (an dieser Stelle meinen Dank an die serbischen Zollbehörden ob der zuvorkommenden Behandlung) und schwupps befand ich mich in der Vojvodina. Die Autobahnen hier haben zu meinem Missfallen leider ein Tempolimit von 120 km/h, ähnlich derer unserer östlichen Nachbarn, was weiterhin zu meiner kleinen Odyssee beitrug, auch wenn ich sah, dass ich anscheinend der Einzige war, der sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung hielt. In Belgrad selbst verfuhr ich mich dann auch noch nach Kräften. Einmal die falsche Brücke überquert und schon landete ich in den Randbezirken der Stadt, mit dem Tank auf Reserve und der Müdigkeit übers Gesicht geschrieben. Es sei zu empfehlen, vor jedweder Exkursion das Navigationsgerät zu aktualisieren – meines lenkte mich lediglich zum Trg Republike im Zentrum der Stadt.

Ansonsten verlief alles wunderbar. Ich habe ein paar schöne Tage bei Djordje, Danijela und der kleinen Dora verbringen dürfen, auch wenn mein Freund tagsüber arbeiten musste.

Inzwischen bin ich in Kragujevac bei Petar und Andjelka angekommen und bin hier ebenfalls auf überaus zuvorkommende, freundliche und offene Gastgeber gestoßen.

Zur Zeit bin ich auch dabei ein Erasmus-Abkommen zwischen Jena und Kragujevac in die Wege zu leiten. Und vielleicht mit ganz viel Glück und Zucker und Streuseln obendrauf, kann ich vielleicht nächstes Jahr als Lektor hier anheuern. Wäre großartig! Aber dazu ein andermal mehr.

Am Samstag oder Sonntag geht’s vielleicht wieder nach Belgrad. Dusan hat mich gefragt, ob ich mit ihm und seinen Freunden zum allseits bekannten und beliebten Beerfest (ja, das heißt tatsächlich so) gehe. Eine Kombination aus internationalen Bierproben und Rockfestivalatmosphäre würde mir da doch sehr zusagen…

Last 24 hours

Oh, ich weiß. Ich hab meinen Blog  sträflich vernachlässigt. Nun, das lag wie immer an der ewig knapp bemessenen Zeit. Was hab ich in Prishtina vor allem in den letzten zwei Wochen getan? Viel gelesen, viel mit Leuten gesprochen, viel Material besorgt. Und: Ich habe die Doktrin von Bratstvo i Jedinstvo (Brüderlichkeit und Einheit) vorangetrieben, dank mutiger und interessierter BürgerInnen aus Ex-Jugoslawien sowohl von Kosovo als auch Serbien.;)

Irena und Dusan haben mich letztes Wochenende in Prishtina besucht und ich konnte ihnen die Stadt, inklusive der hiesigen Kulturgüter zeigen.

DSCF2023DSCF2097 DSCF2100Natürlich habe ich auch die ewig thematisierten serbischen Kulturgüter nicht ausgelassen, wie das Kloster in GracanicaDSCF2043 oder den Turm auf Gazimestan.DSCF2016 Und zur Türbe von Sultan Murad I. gings natürlich auch. Insbesondere Dusan zeigte sich hocherfreut, über die Freizeitgestaltung in Prishtina selbst, beispielsweise über unser umfangreiches Sightseeing-Programm inklusive Kaffee und Kuchen im MaBelle oder lokales Peja-Bier im Dit e Nat. Leider haben wir es aufgrund von Zeitmangel nicht mehr geschafft noch das Beerfest im früheren Boro i Ramiz-Center zu besuchen. Die Tage und Nächte waren einfach viel zu kurz. Dafür haben wir mehrere Ausgaben von Kosova 2.0 gekauft, einem überaus progressiven jungen Magazin, welches sowohl auf Serbisch, Englisch als auch Albanisch erscheint.

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Zur letzten Ausgabe „Sex“ gab es im Übrigen gleich große Proteste von Seiten der islamistischen Szenerie. Dabei muss für die jenigen, die noch nie hier waren, gesagt werden, dass die (kosovo-)albanische Bevölkerung zwar überwiegend moslemisch ist, die Religion hier in etwa aber den gleichen Stellenwert hat, wie in Deutschland. Will heißen, was uns in der Bedeutung das Weihnachtsfest ist, ist hier Bajram. Und der Fisch als Freitagsgericht hat bei uns die gleiche Rolle, wie die Alkoholabstinenz hierzulande. Nichtsdestotrotz gab es insbesondere seit den letzten Jahren verstärkt Tendenzen – nach Gerüchten- von außerhalb, den Islam bzw. Wahabismus mainstreamfähig zu machen.DSCF2108

Ich selbst verfasse jetzt grad aber diese Zeilen um halb 5 morgens am Flughafen von Prishtina. Und ich danke Gott, Allah oder auch gern Buddah dafür, dass die nette Frau am Check-in meinen Koffer mit totalem Übergewicht ohne Mehrkosten angenommen hat. Offiziell ist das Gepäck nämlich auf schmale 23kg beschränkt, was bei einigen Erwerbungen von Literatur bei mir doch um einiges überschritten wurde. Vielleicht schreibe ich in den nächsten Tagen aber auch noch etwas auf den Blog, als kleiner Nachtrag zu den hiesigen Erlebnissen.

Grillen am Sonntag

Gestern Abend hab ich endlich den Film „Balkanski Spijun“ geguckt. Ich bin hellauf begeistert. Bei youtube gibt’s eine Version mit englischen Untertiteln. Ich kann diesen Film des späten jugoslawischen Kinos nur jedem empfehlen. Abgründiger und tiefsinniger Humor pur.

Heute waren wir, d.h. Ivana, Vlada, Andjelka, Petar und ich grillen. Da auf dem Balkan ja inzwischen der Ungeist (also der Überbau) und die wirtschaftlichen Bedingungen (na, die Basis) des neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystems etabliert sind, kann man hier auch sonntags in den großen shoppingmalls einkaufen. Also wurden drei Kilogramm Cevapi und Geflügel sowie Salat, Brot und Soßen gekauft und wir fuhren zu Petars vikendica, dem serbischen Pendant zur russischen Datscha bzw dem Wochenendhäusschen. Da ich nur mit meinem Camcorder gefilmt und keine Fotos gemacht habe, erfreue ich Euch stattdessen mit Bildern aus Kraljevo.DSCF1867 DSCF1876 DSCF1867 DSCF1896

Ah, und noch ein, zwei, drei Impressionen aus Kragujevac, z.B. von der langen Nacht der Museen

DSCF1825 DSCF1784 DSCF1842 sowie einem gemeinsamen Abendessen mit Freunden.

Morgen wird es nochmal stressig. Ich will noch in die ekonomska biblioteka gehen, muß meine Rechnung für das Zimmer im Wohnheim bezahlen und wollte auch noch etwas auf dem Markt einkaufen gehen. Diesntag geht es dann in den Kosovo. wahrscheinlcih muß ich erst nach Kosovska Mitrovica/Mitrovice und dann von dort nach Prishtina.

Also in diesem Sinne: DSCF1850 Bis bald!

Rockpartizani

Ich bin heut Abend aus Belgrad zurückgekommen.DSCF1935 Mein Freund Dusan hat gestern sein letztes Jura-Examen gehabt, deshalb waren wir auf einem absoluten Hipsterfestival in Belgrad. Recht feucht fröhlich war es. Und damit meine ich auch das Wetter. Wir haben bei einem Freund von ihm in Karaburma übernachtet und als ich heute Morgen aufgewacht bin, hagelte es Eisklumpen von der Größe von Taubeneiern.

Natürlich bin ich im Anschluss nach Kuca Sveca gefahren, der Begräbnisstätte Titos. Alles in allem war es mein siebter Besuch dort.  Ich hatte mir schon vor ein paar Jahren überlegt, dass es doch ein ganzes nettes Ritual wäre, jedes Mal wenn ich in Serbien bin, auch den Marshall zu besuchen.

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Da mein Akku bald wieder mal zur Neige geht, fass ich mich kurz und erwähne noch ein paar Anekdoten der letzten Tage und Wochen. Mein Seminar zur Kritischen Theorie lief, glaub ich, ganz gut. Es war zwar fakultativ und daher eher mittelmäßig besucht, aber ich habe mir sehr viel Mühe gegeben, den Studentinnen und Studenten mit viel Witz, Esprit und Lebensnähe ein paar Konzepte von Adorno, Horkheimer, Marcuse & Co näher zu bringen. Zum Thema Entfremdung und Überbau habe ich hier noch ein kleines Foto.DSCF1737 Das abgebildete Plakat besagt, dass glückliche serbische Rentner im Supermarkt ihres Vertrauens voller Freude und Dankbarkeit an den genannten Tagen billiger einkaufen können. Aber natürlich keine Zigaretten! 😉 Soviel zu den Themen Rentenstabilität, Alterssicherheit und psotmoderne Konsumwirtschaft. Als Kulturpessimist, als wecher ich ja öfters gescholten werde, bin ich mir aber sicher, dass wir das auch bald haben.

Übrigens bleib ich länger in Kragujevac. Ich werd erst am Dienstag weiter nach Prishtina fahren. Auch weils so schön ist, aber natürlich auch weil ich viel zu tun hab.

Ah, wussten Sie, dass die Nazis hier Massaker veranstaltet haben? Nein, Bildungslücken gilt es zu schließen.

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Letzten Sonntag hab ich auch mit Irena einen Ausflug nach Kraljevo gemacht. Weitere Fotos folgen in Kürze. Kragujevac finde ich aber persönlich netter. Das leigt weniger an der wirtschaftlichen Situation in Kraljevo, sondern einfach an meiner subjektiven Meinung. DAs Zentrum macht hier einen weitaus gemütlicheren Eindruck, auch aufgrund der alten Bausubstanz. Und bei Ivanas Eltern war ich auch am Dienstag zum Abendessen eingeladen.

Warme Worte

Also, ein paar kurze Sätze zu meiner Ankunft in Kragujevac: Nach einem ausgiebigen Mittagessen mit Djordjes Schwiegereltern und einem überaus amüsanten Gespräch mit seinem Schwiegervater über Investment-Möglichkeiten und die richtigen Frauen zu Heiraten begab ich mich denn zum Belgrader Busbahnhof. Das Zugverkehrsnetz Serbiens ist immer noch in einem maroden Zustand, was wohl nicht nur unmittelbar den Kriegen, sondern vor allem fehlenden Investitionen geschuldet ist. Daher läuft der Personenfernverkehr hauptsächlich, wie auch in den Nachbarländern, mittels Reisebussen ab. Die sind im Übrigen auch recht preiswert auch für den hiesigen Standard, so dass ich für meine zweistündige Fahrt nach Kragujevac über den Autoput lediglich knapp vier Euro berappen mußte. Auf dem Weg in die Stadt fuhren wir an einem gut 5m großen orthodoxen Kreuz aus Gußbeton, gefolgt von einem noch größeren Fiat-Emblem in der Mitte eines Kreisverkehrs vorbei. „So weht hier also der Wind“, war mein erster Gedanke. Schön fromm und arbeitsam zu Fiat in die Montagehalle… Zur Erläuterung muß ich an dieser Stelle erwähnen, dass die früheren Zastava-Werke in Kragujevac die berühmten jugoslawischen Autos Yugo Koral und Zastava 750(den Fića) in Lizenz mit Fiat zusammen gebaut haben. Früher arbeiteten bis zu 50.000 Menschen in den Fabriken, heute sind noch 3000 übrig geblieben und Fiat hat irgendwann vor ein paar Jahren die Firma aufgekauft und lässt jetzt eigene Autos hier bauen. Was wohl auch der Stadt, neben einer Schwemme italienischer Mitarbeiter, auch einen bescheidenen Wohlstand gebracht hat. Der Busbahnhof in Kragujevac holte mich allerdings vorschnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Die Gebäude drum herum verfallen, die Schilder am Busbahnhoff verwittert oder rostig und Unkraut bzw. die so genannten Ackerbegleitkräuter;-) überall. Als ich das Gelände verließ und ich mich auf die Suche nach einem Taxt machte, krähte auch noch, wie um das Vorgefundene weiter zu bekräftigen, ein Hahn. Ja, schön soll das Landleben sein. Meins ist es jedenfalls nicht. Herr Dr. Vladimir Polomac schickte mir denn aber gleich eine Sms zu welchem Studentenwohnheim ich fahren sollte, um mich zu registrieren und Quartier zu beziehen. Hervorragend bin ich untergekommen. Das Wohnheim liegt direkt im Zentrum von Kragujevac.DSCF1731DSCF1730 Ich hab ein kleines Zimmer mit WLAN und auch eine eigene Dusche mit Toilette etc. Ansonsten muß ich bisher jeden Morgen schmunzeln, da mein Badezimmer so aussieht, als ob ich die Fliesen selbst verlegt habe. Aber hey, das ergibt einen ganz eigenen und persönlichen Charme. 😉 Zu erwähnen ist natürlich noch, dass die Taxifahrer (der erste hatte mich an der falschen Adresse abgesetzt, der zweite dann aber wohlbehalten vor meinem Studentski dom rausgelassen) mich schon gleich auf die wichtigsten Dinge und Sehenswürdigkeiten aufmerksam gemacht haben. Diese wären:

1. Es gibt mehr Frauen als Männer in der Stadt.

2. Frauen aus der Sumadija sind die Schönsten.

3. Die beste Eisdiele der Stadt ist das Café „Srce“ (Herz).

4. Am Wochenende macht sich die holde Weiblichkeit hübsch zum Ausgehen und Flanieren.

Jaja, den Taxifahrern nach sind das die wichtigsten Dinge, die ich wissen muß. Selbstverständlich habe ich sofort Einspruch erhoben und klargestellt, dass ich nur als fleißiges Arbeitsbienchen hier bin und für derlei Amüsement weder Zeit noch Lust habe.:-) Am Abend traf ich mich dann noch mit Irena und Ivana, denen ich an dieser Stelle nochmal für alles danken möchte. Hvala lepo! Ansonsten wurde ich am darauffolgenden Tag, das war dann letzten Mittwoch, von Marina, ebenfalls Promoventin und hiesige Deutsch- und Literaturdozentin zur Universität geschleppt, wo ich dann mit ihr und Vladimir gleich den Dekan der Fakultät für Philologie und Künste aufgesucht habe. Natürlich dieses offiziellen Besuchs und meiner Funktion als Repräsentant meiner Universität vollends bewusst, und gleichzeitig gewahr, dass ich nicht gleich den Eindruck eines blöden Touris erwecken wollte, hab ich mich natürlich passend in Schale geworfen. Auch wenn es etwas nachteilig ist, bei den hiesigen Temperaturen im Anzug und mit Krawatte rumzulaufen, denke ich, dass ja der erste Eindruck von mir ja auch etwas besser sein sollte. Ich glaube aber, dass dies der Fall war. Denn ich habe einen Haufen „Geschenke“ bekommen: Publikationen der Fakultät für mich und für meine Uni zuhause sowie – die werd ich aber auf jeden Fall nicht in Jena abliefern – Kaffeebecher mit dem Logo der Fakultät. Ah, ich steh auf diesen Merchandise-Kram!!!

Abends war ich dann mit Ivana und ihrem Freund Vlada (Vladimir) zünftig in einer Kafana am örtlichen See essen. Der Šefe dieses Etablisments hat isch auch gleich dazu gesellt, weil er im Anschluss mit Ivana ein paar geschäftliche Sachen besprechen mußte. Sie ist nämlich u.a. Innenarchitektin und er will was umbauen lassen.

Essen gegangen bin ich auch schon mit Irena. Da habe ich nun leider kein Foto von dem Abend.:-P Interessant war aber, dass wir in einem urigen Schuppen direkt neben dem Mahnmal bzw. Museum für die hiesigen Massaker im II. Weltkrieg waren. Zur serbischen Erinnerungskultur würde ich ein eigener Artikel lohnen, wie ich beim Verfassen dieser Zeilen festellen muß…

Ich sage nur „Bon appétit!“

Das Essen war auf jeden Fall gut, und die Lokalität wurde ausgesucht, um mich aufzuziehen. 🙂 Das ist ihr jedenfalls nicht gelungen, da ich ja auch nicht mehr ganz grün hinter den Ohren bin.

Einen Großteil meiner Kolleginnen und Kollegen konnte ich übrigens schon in privater Runde bei ein paar Gläsern Crno Vino kennen lernen. Sie sind alle sehr sehr nett und scheinen sich sehr über meine Hospitation in ihren Kursen zu freuen. Welche Kurse das sind? Vor allem Deutsch als Fremdsprache, inklusive Methodik, Sprachpraxis etc. Ich hingegen werde an diesem und dem kommenden Samstag eine Blockveranstaltung zum Thema „Frankfurter Schule und kritische Theorie“ geben. Dies ist, wie einige von Euch wissen, nicht unbedingt mein privates Steckenpferd, aber Frau Dr. Volić-Hellbusch, die hiesige Lehrstuhlinhaberin und meiner Meinung nach eine richtige Dame, sieht hier besonderen Handlungsbedarf, so dass ich mit größter Freude meiner Arbeit nachgehe, welche wiederum in Anbetracht der Zeit mich zu einigen Nachtschichten zwingt. Aber ich will ja weder mich noch unsere geliebte Friedrich Schiller-Universität zu Jena blamieren. 😉 Meine Studentinnen und Studenten habe ich übrigens auch schon weitestgehend kennen gelernt. Ich werde als Kursteilnehmer vor allem den Abschlussjahrgang des hiesigen vierjährigen(!)Bachelors haben. Es darf aber, abgesehen davon, dass meine Veranstaltung fakultativ ist und natürlich jeder kommen kann, auch der dritte Jahrgang antreten, um meinen warmen Worten zu lauschen. In einer Vertretungsstunde habe ich denn auch sogleich meine Schützlinge auf eine Tasse Turska Kafa eingeladen, zwecks erstmaligem Kennenlernen, Vorstellung und Planung der Inhalte etc, da ich – wie ich sagte- streng nach den Vorstellungen der samoupravlanje (Selbstverwaltung) vorgehen möchte. Was ich ja sehr interessant fand war, dass die hiesigen Germanistikstudenten ein Theaterstück zum Themenbereich „deutsche Kultur- und Geistesgeschichte aufgeführt haben. Ich habe das Stück mit meinem Camcorder aufgenommen, es soll aber eine wesentlich bessere Version auf youtube geben. Wenn ich den Link finde, wird sie auf jeden Fall hier veröffentlicht. So, in Anbetracht der Uhrzeit. Laku noć i lepo spavajte!

Das nächste Mal schreib ich was zu Dimitrije mit seinem „kleinen“ Hundchen,den ich abends vor der Bäckerei traf, als ich einen Burek essen wollteDSCF1740 und über einen schockierenden Zusammenprall zwischen konsum- Warengesellschaft und ganz realer Altersarmut. Und natürlich wie mein Seminar läuft… Zum Abschluss hier noch ein Video der Band Carbon Cartel, welche neulich im Twist aufgetreten ist. Ich fand die Sängerin einfach toll, obwohl sie fast nur Coverversionen gespielt haben.:-)